Der Zauber eines fruehen Morgens
gestohlene Geld und der Schaden, der im Laden entstanden war, würden ihm egal sein, aber dieser gemeine Verbrecher hatte Belle und Jimmy der kostbarsten Sache im Leben beraubt.
Belle rührte sich und schlug die Augen auf. »Warum stehst du da?«, flüsterte sie.
»Um dich anzuschauen, mein Häschen«, sagte Mog und setzte sich auf die Bettkante. »Wie geht es dir?«
»Ich weiß nicht«, antwortete sie. »Liege ich schon lange im Bett?«
Mog nickte. »Eine ganze Weile. Es ist fast zehn Uhr abends. Über vierundzwanzig Stunden, seit es anfing.«
»Und ich habe die ganze Zeit geschlafen?«
Jetzt erkannte Mog, dass Belle gar nicht wusste, wie knapp sie dem Tod entronnen war, weil sie den ganzen Tag kaum bei Bewusstsein gewesen war.
»Ja, meistens«, sagte sie. »Und jetzt kannst du weiterschlafen, aber zuerst bringe ich dir noch etwas zu trinken. Der Doktor meint, du sollst warme Milch mit einem Tropfen Brandy trinken. Ich gehe sie holen.«
Mog kam mit der Milch zurück, die nicht nur einen Schuss Brandy, sondern auch die Medizin enthielt, die Belle helfen sollte, gut zu schlafen. Sie schob einen Arm unter sie und hob sie behutsam an, um ihre verletzte Schulter zu schonen, und hielt ihr den Becher an die Lippen. »Schön austrinken!«, sagte sie wie früher,als Belle ein kleines Mädchen gewesen war. »Dann geht’s dir gleich besser.«
Zu ihrer Freude trank Belle gehorsam den Becher leer. Bisher hatte sie nur kleine Schlucke Wasser zu sich genommen. Als sie fertig war, klopfte Mog die Kissen auf und bettete sie wieder hin.
»Wie soll ich es bloß Jimmy sagen?«, fragte Belle, deren Augen sich mit Tränen füllten.
»Darüber zerbrechen wir uns morgen den Kopf«, antwortete Mog. »Ich bleibe heute Nacht bei dir, falls du etwas brauchst.«
»Komm zu mir ins Bett!« Belle hielt Mogs Hand fest. »Bitte! Ich will nicht, dass du die ganze Nacht im Sessel sitzt. Du musst schrecklich müde sein.«
Mog dachte insgeheim, dass Schwester Smethwick das garantiert nicht billigen würde. Aber Belle und sie hatten früher oft in einem Bett geschlafen, es war so tröstlich in schweren Zeiten. Außerdem, wen kümmerte es, was die Smethwick dachte? Einzig Belles Wünsche waren es, die zählten.
»Wenn du das gern möchtest, mache ich es«, entschied Mog. »Ich laufe nur schnell nach unten, um Garth ›Gute Nacht‹ zu sagen und in mein Nachthemd zu schlüpfen. Schlaf du ruhig!«
Sie beugte sich vor und küsste Belle auf die Stirn. Sie fühlte sich warm, aber nicht fiebrig an. Waren ihre Gebete erhört worden?
Den ganzen nächsten Tag über war Mog angespannt und nervös. Belles Zustand schien stabil zu sein, und sie hatte ein paar Löffel Suppe gegessen, doch das bedeutete nicht, dass sie über den Berg war. Schließlich konnte jederzeit eine Infektion auftreten; daran starben die meisten Frauen in dieser Situation.
Schwester Smethwick mit ihrer Herrschsucht und ihrem überlegenen Getue ging Mog auf die Nerven. Sie hatte unmissverständlich klargemacht, dass Mogs Anwesenheit im Krankenzimmer nicht erwünscht sei, und somit blieb ihr nichts anderes zu tun, als die Hausarbeit zu verrichten und sich Sorgen zu machen.
Mog hatte Annie ein Telegramm geschickt, was hieß, dass sie jeden Moment auftauchen konnte. Das würde die Atmosphäre im Haus nicht gerade entspannen. Garth hatte nicht viel für Belles Mutter übrig, und wenn Annie ihre gewohnte schroffe Art an den Tag legte, würde er bestimmt in Rage geraten. Was Mog sich wirklich wünschte, war, dass Jimmy heimkam. Es würde Belle trösten und Garth zu einem männlichen Verbündeten verhelfen, und Jimmys ruhige Stärke würde sich auch auf sie übertragen.
Dann kam der Telegrafenbote mit einer Antwort von Annie.
Sag Belle, wie leid es mir tut! Bin momentan unabkömmlich. Annie.
»Was könnte dringlicher sein, als ihre kranke Tochter zu besuchen?«, sagte Garth und verzog den Mund, wie er es immer tat, wenn er seine wahren Gefühle für sich behielt.
Wie stets fühlte sich Mog verpflichtet, die Wogen zu glätten. »Vielleicht geht es ihr selbst nicht gut. Sie könnte einen schwierigen Gast haben. Was auch immer.«
»Ich halte es eher für wahrscheinlich, dass sie den Verlust eines Babys für einen Segen hält«, entgegnete Garth böse.
»So etwas darfst du nicht sagen«, gab Mog zurück. »Belle hat mir erzählt, dass Annie sich sehr darauf gefreut hat, Großmutter zu werden.«
»Das Einzige, was dieser Frau Freude macht, ist, Geld zu scheffeln«, sagte Garth und
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