Der Zauber eines fruehen Morgens
aus Sussex, Vera aus Neuseeland. Wir sind die einzigen weiblichen Fahrer hier und werden von den Männern oft aufgezogen, aber wir halten zusammen und stehen einfach darüber.«
Sally, Maud und Honor waren alle drei vom gleichen Schlag, um die dreißig, unscheinbar und mollig. Sie erinnerten Belle an Lehrerinnen. Sie wirkten vernünftig und gutmütig, aber höchstwahrscheinlich waren sie keine besonders anregende Gesellschaft.
Vera hingegen sah pfiffiger aus. Sie war jünger und hatte ein sommersprossiges, offenes Gesicht, hellblaue Augen und ein breites, warmes Lächeln. »Meine einzige Entschuldigung, warum ich hier bin, ist, dass ich anscheinend verrückt bin«, sagte sie. »Na ja, so kommt es mir jedenfalls meistens vor.«
Für weitere Gespräche blieb keine Zeit. Sally reichte Belle und Miranda jeweils einen khakifarbenen Kittel, den sie über ihren Kleidern tragen sollten, und empfahl ihnen, ihre Röcke ein paar Zentimeter zu kürzen, damit sie sie nicht durch den Schlamm schleiften. Dann gingen sie, das Haar unter eine khakifarbene Schirmmütze gestopft, in die Kantine frühstücken – Brot mit ein paar Scheiben fetten Specks und ein Becher Tee – und von dort zu Captain Taylor vom RAMC, dem Royal Army Medical Corps, der die Aufsicht über die Krankenwagenfahrer führte.
»Wir sind da drüben.« Sally zeigte auf eine weitere Hütte, durch deren offene Tür sie etwa dreißig Männer sehen konnten, die herumsaßen und warteten. »Wenn ein Zug mit Verwundeten kommt, wird eine Glocke geläutet, und wir fahren sofort zum Bahnhof. Jeder versucht, als Erster anzukommen, weil die Patienten, die sitzen können, zuerst ausgeladen werden und leichter zu transportieren sind.«
Captain Taylor war ein älterer Mann, der die Mädchen mit leicht belustigter Miene musterte, als wäre er insgeheim der Meinung, dass keine Frau kräftig genug war, um eine Krankenbahre zu tragen. Er sagte sehr wenig, nur dass er von ihnen erwarte, für sich zu bleiben und ihren Krankenwagen sauber zu halten, und dass sie sich an die Vorschriften zu halten hätten, die an einer Wand des Aufenthaltsraumes für die Fahrer hingen. Er wies jeder von ihnen einen Träger zu, der sie auf ihren Fahrten begleiten würde.
Miranda bekam Alf Dodds an die Seite gestellt, der um die fünfzig und ziemlich kurz geraten war, auffallende O-Beine, aber massive Schultern hatte.
»Von dem träume ich heute Nacht bestimmt nicht«, raunte sie Belle hinter vorgehaltener Hand zu.
Belle wurde David Parks aus Sheffield zugeteilt. Er war erst fünfundzwanzig, hatte ein frisches, jungenhaftes Gesicht, helles Haar und abstehende Ohren. Er erzählte Belle, dass er aufgrund einer Beinverletzung, die er 1915 in Ypern erhalten hatte, als Invalide aus der Armee ausgeschieden war, jedoch darum gebeten hatte, hierbleiben und bei den Verwundeten helfen zu dürfen. Als er wegging, um mit jemandem zu reden, bemerkte sie, dass er stark hinkte, und fragte sich, ob er wirklich imstande war, schwere Lasten zu tragen.
Eine Stunde später war Belle sehr froh, dass sie David an die Seite gestellt bekommen hatte. Er wusste nicht nur genau, welchen Weg sie nehmen mussten und was zu tun war, wenn sie den Bahnhof erreichten, sondern kannte sich auch mit den kleinen Tücken des Wagens aus und schien nichts dabei zu finden, mit einem weiblichen Fahrer zu arbeiten. Er sprach mit breitem nördlichen Akzent, hatte aber eine sanfte, eher schüchterne Art, die Belle gefiel. Er sagte, dass er wegen seiner Verletzung selbst keinen Wagen fahren konnte.
»Warum sind Sie nicht einfach nach Hause gegangen, nachdem Sie verwundet worden waren?«, fragte sie, als sie zum ersten Mal an diesem Tag im Konvoi mit den anderen Krankenwagen die Fahrt zum Bahnhof unternahmen. Sie hatte Mühe, mit dem Schaltknüppel und der harten Lenkung zurechtzukommen, doch David half ihr und ermutigte sie. »Hatten Sie danach nicht genug vom Krieg?«
»Was erwartet einen Krüppel wie mich schon zu Hause?« Er zuckte mit den Schultern. »Gibt mir ja doch keiner Arbeit, und meine Mum hat auch ohne mich schon genug hungrige Mäuler zu stopfen, und meine Kumpel sind alle hier draußen.«
Ähnliches hatte sie schon von anderen Soldaten im Royal Herbert Military Hospital gehört. Viele von ihnen stammten aus ärmlichen Verhältnissen; aus Städten wie Manchester, Leeds und Birmingham. Sie hatten sich zur Armee gemeldet, um Armut, Elend und schlechten Aussichten zu entkommen. Traurig, dass sehr viele von ihnen als Invaliden
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