Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
nicht ganz – so wunderschön wie das Gewand aus Spinnenseide, das die Hohepriesterin trug.
»Seht ihr diese Ranke?«, fragte die Herrin. »Sie ist grün, und grün wird sie bleiben, solange mein Wille sie unterstützt. Das Gleiche gilt für eine Freundschaft, eine Ehe . . . oder einen Friedensvertrag.«
Tamwyn schaute ins Licht der Feuerstelle. »Wenn die Menschen ihren Willen zum Frieden verlieren, dann kommt es also zu Bösem – wie zu den Ghoulacas?«
Sie nickte. »Und mehr.«
Er kaute an seiner Lippe. »Zum Beispiel unheimliche, stöhnende Winde . . . und seltsame weiße Seen.«
»Oder vielleicht sogar«, fügte Elli hinzu, »ferne Sterne, die erlöschen.«
»Oder Komplizierteres, das man nicht sehen kann«, erklärte Nuic. »Etwa Arroganz. Bei einer Priesterin oder einem so genannten Lehrer.«
»Stimmt.« Die Frau richtete den Blick der Augen, die heller als die Feuerstelle leuchteten, auf Nuic. »Die gleiche Art von Arroganz, die vor langer Zeit die Tochter von Elen der Gründerin, Rhiannon, veranlasste als Hohepriesterin zurückzutreten und die Gemeinschaft zu verlassen, für deren Gründung sie so lange und schwer gearbeitet hatte.«
Elli fuhr auf. »Deshalb ist Rhia also weggegangen?«
»Hmmmpff. Sie ist nicht einfach weggegangen«, stellte Nuic richtig. »Sie ist
davongestürmt
– und hat Beleidigungen in alle Richtungen geschleudert. Ich erinnere mich gut daran, ich war dabei.«
»Nuic«, sagte Elli vorwurfsvoll, »ich habe gar nicht gewusst, dass du vor dem vergangenen Monat schon einmal auf dem Gelände der Drumaner warst.«
Der Tannenzapfengeist betrachtete sie mürrisch. »Glaubst du denn, ich hätte mein Leben damit vertrödelt, auf meinem Hintern in Bergbächen zu sitzen? Denk mal nach!«
Die Herrin lächelte unter den Falten auf ihren Wangen. Und Tamwyn bemerkte jetzt zum ersten Mal, wie schön sie war. Nicht nur strahlend und magisch und geheimnisvoll. Schön.
Du musst einfach großartig gewesen sein, als du jung warst
, dachte er in seiner Privatsprache, die nur Geschöpfe verstanden, die keine Menschen waren.
Zu seinem Entsetzen drehte sie sich zu ihm um und antwortete mit ihren eigenen Gedanken:
Jetzt bin ich also nicht mehr großartig?
Tamwyn stotterte und bekam einen so heftigen Hustenanfall, dass er fast von seinem Knorrenstuhl fiel. Sobald er wieder sprechen konnte, stammelte er: »Du – du bist es immer noch, Großartigkeit. Ich meine, äh, Großheit . . . Nein, nein. Hoheit. Du bist wirklich . . .«
»Amüsiert«, unterbrach sie ihn mit blitzenden Augen. Sie streckte den Arm aus und klopfte ihm auf die Schulter. »Das bin ich wirklich. Und ich finde sie schmeichelhaft, deine Kommentare.«
Elli zog die Brauen zusammen. »Kommentare? Ich habe ihn nur husten hören.«
Die Herrin wandte sich ihr zu. »Bei Tamwyn, meine Liebe, musst du genau hinhören. Gerade wie ein guter Füh rer dir vielleicht sagt, du sollst auf die Stimmen im Wald hören.«
Elli und Tamwyn erstarrten. »Also . . .«, sagte Elli, »hast du uns beobachtet?«
»Nur während ihr im Wald wart. Aber das ist lange genug, um zu wissen, dass noch etwas anderes euch Sorgen macht. Etwas außer Ghoulacas und erlöschenden Sternen.« Sie schaute Tamwyn an. »Was ist es?«
Er zögerte. »Nun . . . wer ist wirklich der wahre Erbe Merlins? Und ist er . . .« Er schaute kurz zu Elli hinüber. »Ist er wirklich wie ein Bruder für diesen, diesen anderen?«
Die Herrin sah ihn lange fest an und schwieg.
Tamwyn schluckte.
»Bevor wir weiterreden«, sagte die Herrin schließlich, »würde ich euch gern zu einer Mahlzeit einladen.«
Sie stand auf und bat sie durch den Raum zu einem runden Loch im Boden, wo eine Wendeltreppe in die Tiefe führte. Elli hob Nuic auf und folgte, Tamwyn kam als Letzter. Sie gingen hinunter über funkelnde Stufen, die so zart wie Nebelstreifen aussahen. Bald standen sie in einem anderen Raum, der nicht von einer glühenden Feuerstelle erleuchtet wurde, sondern von Sternenstrahlen, die durch Astknoten im Baumstamm fielen. Mitten im Raum standen ein Tisch und vier Stühle, alle waren aus dem Baum gewachsen. Während sie sich setzten, schob sich die Magierinein paar silbrige Löckchen aus der Stirn und winkte durch die Luft.
Ein Schwarm Feen erschien plötzlich, die Geschöpfe flogen durch die Löcher im Stamm herein. Ihre Flügel vom gleichen nebligen Blau wie ihre fließenden Gewänder schwirrten durch die Sternenlichtstrahlen. Es sah aus, als ob die Flügel Wellen und Wirbel im Licht
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