Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
mitzukommen«, sagte er. »Schließlich kannst du Dissimint nicht von Dysenterie unterscheiden. Außerdem habe ich ein paar Kräuter bei diesen Brombeerbüschen dort drüben gesehen.«
»Aber . . .«, protestierte sie.
Er winkte mit seiner nebligen Hand ab. »Geh und such dir eine andere Beschäftigung, Elliryanna.«
Wider Willen musste sie lächeln. Teils wegen seiner stän digen Schroffheit, teils weil er ihren vollen Namen benutzte.Wenn er ihn aussprach, klang es immer wie das Plätschern eines Bergbachs.
Aber was sollte sie tun? Mit einem kurzen Blick auf Llynia, die sich im Schatten der Klippe die Füße massierte, ging sie hinüber auf die andere Seite der Steinplatte und setzte sich. Ihre Harfe schlug an den Felsen und gab ein paar misstönende Klänge von sich.
Das ist es. Ich werde etwas spielen.
Elli legte sich die einfache Harfe in den Schoß und spürte einmal mehr, wie fein die Hände ihres Vaters das Ahornholz geformt hatten. In den letzten Tagen war so viel geschehen – auch vor diesem langen Wandertag hinter Llynia –, dass sie keinen einzigen Ton gezupft hatte.
Sie tippte auf die knorrige Unterseite des Instruments. Noch keinen Monat war es her, dass sie durch die großen Eichentore des Drumanergeländes gegangen war; nach dem weiten Weg von Malóch hatte sie, gerade als die Schnallenglocke läutete, ihr Ziel erreicht. Da hatte sie gedacht, sie könne für immer auf dem Anwesen bleiben, und jetzt war sie hier, bereits mit einer Expedition unterwegs. Und mit herzlich wenig Ahnung, wohin sie ging – oder ob sie je zurückkehren würde. Bei den Ellbogen der Elfen, das war nicht, was sie erwartet hatte!
Aber ich habe auch nie erwartet Nuic kennen zu lernen. Oder die Hohepriesterin Coerria.
Sie drehte an den Wirbeln aus Weißdorn und zupfte dabei eine Saite nach der anderen. Dann, als die Harfe gut gestimmt klang, schaute sie rasch zu Llynia hinüber, die immer noch über ihre schmerzenden Füße murrte.
Oder sie.
Während Elli mit dem Finger über eine Tangsaite strich, dachte sie an Papa: Wie gern er seine eigenen Lieder gespielt hatte; und wie die Erinnerung an seine Hände auf dieser Harfe ihr die Kraft gegeben hatte, die Berührung der schmutzigen dreifingrigen Hände zu überleben, die sie so lange gefangen gehalten hatten.
Sie schaute hinauf in die Zweige der Eberesche, deren Blätter jetzt in der Brise flüsterten. Und sie fing an die Saiten so leise zu zupfen, dass es klang, als würden ihre Töne von der Brise gesungen. Dann begleitete sie die Klänge mit Worten, mit dem Text eines der Lieblingslieder ihres Vaters.
Über die Meere bin ich geflogen,
Habe gesucht nach dem Land,
Das ich nicht kannte, aber ersehnte,
Das ich mit Träumen verband.
Avalon . . . gibt es das?
Avalon . . . gibt es das?
Schwer ist mein Herz und der Himmel ist dunkel,
Der Kerzendocht brennt nicht mehr lang.
Das ganze Geheimnis will ich erkunden,
Das Rätsel von heil’gem Belang.
Ob das trotz allem gelingt?
Ob das trotz allem gelingt?
Nebel umschwebt mich und Finsternis herrscht.
Das scheint mein Ende zu sein.
Plötzlich – die Sterne! Und Grün rund umher,
Gewimmel, kein Wesen allein.
Der Baum, diese Welt, ist’s mein Traum?
Der Baum, diese Welt, ist’s mein Traum?
Alles entspross einem Samen allein,
Schweigend ins Erdreich gelegt,
Pulsierend, lebendig und stets bereit
Zu helfen, wo Leben sich regt.
So wie einst Merlin es tat.
So wie einst Merlin es tat.
Berstend vor Kraft gab der Samen es frei,
Avalon, rätselhaft, groß.
Wildnis, nicht zähmbar durch Menschengeschick,
Fruchtbar, voll Wunder, grandios.
Und an Geheimnissen reich.
Und an Geheimnissen reich.
Mächtig ragt jetzt dieser Weltbaum empor,
Teils Körper, teils Geist . . . teils Zwischengebiet.
Alles umfassen die riesigen Fasern,
Auch jenes Reich, das mein Traum durchzieht.
Rundumher magisches Grün.
Rundumher magisches Grün.
Avalon lebt! Und hier ist der Ort,
Die Lieder der Schöpfung zu singen.
Singt jede Note, singt hoch und singt tief,
Lasst alle Weisen erklingen.
Die Sänger trotzen dem Tod.
Die Sänger trotzen dem Tod.
Sind Rätsel, Orakel in dieser Welt?
Die Antworten gleichen dem Dunst . . .
Neu ist die Welt und auch überaus alt,
Die Landschaft genießt Schicksals Gunst.
Avalon gibt es gewiss.
Avalon gibt es gewiss.
Die letzten Töne stiegen in die Luft und vereinten sich mit dem Flüstern der Zweige. Elli schaute von ihrer Harfe auf und stellte
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