Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore
geschluckt, spürte sie neue Kraft in den Gliedern. Sie biss wieder zu, diesmal kräftiger. Und noch einmal.
Während der frische Minzegeschmack auf ihrer Zunge prickelte, fragte sie: »Wie nennt man das?«
»Ambrosiabrot«, antwortete Olewyn. »Schmeckt es dir?«
»Oh ja, sehr gut.« Sie schluckte. »Wirklich köstlich.«
»Gut«, erklärte der Barde. »Es ist mein leckerstes Rezept. Genau genommen ist es mein
einziges
Rezept. Solange du und Nuic der Griesgram essen, werde ich euch etwas vorsingen. Mithilfe meines liebsten Freundes natürlich.«
Elli kicherte und kaute zugleich, während er nach dem Rand seines schiefen Huts griff. Mit einer dramatischen Geste lüftete er ihn und zum Vorschein kam ein kleines Geschöpf, das auf Olewyns Kopf saß. Mit seiner blauen, goldgefleckten Haut und der Tränentropfengestalt war es unverkennbar.
»Dein Museo«, sagte Elli entzückt über den Anblick dieses magischen Wesens, das sie noch dazu gleich hören sollte. Sie wusste, wie selten Museos in Avalon waren: vielleicht nicht so selten wie ein saphirblaues Einhorn, aber doch kaum sichtbar. Jedenfalls nicht aus dieser Nähe.
Der Barde zwirbelte eine Seite seines Barts, während er nachdachte. Dann zog er mit einem viel sagenden Blick eine kleine Laute aus seinem Umhang. Er zupfte einmal daran und verkündete: »Diese Ballade ist eine unserer liebsten, auch wenn sie kurz ist. Rhiannon soll sie geschrieben haben, als sie Hohepriesterin war.«
Elli und Nuic wechselten einen Blick, der von ihrer Liebe zu Rhia und Coerria sprach. Ohne nachzudenken, griff Elli an ihr Amulett und fühlte den Kristall unter den Blättern.
Da begann der Museo zu summen – ein sanft ansteigendes, vielschichtiges Summen, das in Elli einen Ansturm von Gefühlen auslöste. Sie schwankte benommen und war froh, dass sie saß. Während das tiefe, vibrierende Summen des Museos sie durchdrang, rutschte sie tiefer in das Dunstkissen der Wolke.
Das Summen schwoll an, ferne Akkorde von Windharfen mischten sich hinein. Und schließlich begann der Barde zu singen:
Neigt euch, Äste Avalons,
Lasst den Sturm nicht ein –
Neigt euch tief, doch splittert nicht:
So muss das Mysterium sein,
Kräftig, biegsam, fein.
Rage, Stamm des Mittelreichs,
Recke dich empor –
Streb den Nebelpfaden zu:
Überm Himmelstor
Bei dem Sternenflor.
Senkt euch, Wurzeln, weit hinab
In der Tiefe Schoß –
Gebt den sieben Reichen Halt:
Macht, was klein ist, groß,
Wunder, beispiellos.
Der Museo summte noch einen Augenblick länger einen tiefen, anschwellenden Ton, der bis in Ellis Mark vibrierte. Ihr war, als hätte gerade eine Welle von Klang und Gefühl sie überströmt und sie trauriger, weiser und reicher als zuvor zurückgelassen. Und sie sehnte sich danach, tiefer in diese Welle zu tauchen, auf ihren Strömungen zu reiten und immer wieder ihr Steigen und Sinken zu spüren.
Als der Museo endlich schwieg, rührten sie sich nicht. Bis auf die ferne Musik aus den Harfenländern und das sanfte Seufzen, mit dem der Wind über die Wolke strich, gab es keinen Laut. Doch für Elli war die Erinnerung an das Summen des Museos und das Lied des Barden mehr als genug, um sie neu zu beleben.
Der Barde war es, der als Erster sprach. »Nun, liebe Reisende, wohin wollt ihr als Nächstes?«
Elli öffnete schon den Mund zur Antwort, dann überlegte sie es sich anders. Sie hatte ihre Lektion gelernt und war sich nicht sicher, ob es klug war, jemandem – und sei es einem freundlichen Barden – mitzuteilen, wohin sie reisten. Deshalb war sie höchst überrascht, als Nuic sich meldete.
»Nach Schattenwurzel«, erklärte der Maryth. »Auf jedem Weg, der sich anbietet. Und so schnell wie möglich! Wir haben dort etwas zu erledigen – etwas Wichtiges, das Leben oder Tod für Avalon bedeuten könnte.«
Der Barde zog die dichten Augenbrauen hoch.
Nuic ahnte seine Zweifel und knurrte: »Verstehst du nicht, was ich sage? Alle Wunder dieser Welt, alle Gegenden, durch die du streifst, alle Leute, an denen dir liegt – werden verloren sein, wenn uns das nicht gelingt.«
Er seufzte verzweifelt, während seine Färbung sich verdunkelte. »Und wo sind wir jetzt? Wir sitzen fest auf dieser Wolke und schweben durch Luftwurzel! Und selbst wenn wir durch ein Wunder auf ihr bis zu einer Pforte fliegen, sind wir immer noch weit von unserem Ziel entfernt, weil keine Pforte uns nach Schattenwurzel bringen kann. Wie man es auch betrachtet, wir haben eine lange Reise – und eine
Weitere Kostenlose Bücher