Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore
Wasser überall. Sein ganzer Körper wurde geschlagen, geprügelt und auseinander gerissen. Mund, Ohren und Augen füllten sich mit Wasser, ebenso die Lunge, er musste heftig würgen und husten. Er keuchte bei dem Versuch, Luft zu bekommen, atmete aber nur noch mehr Wasser ein.
Wahre Fluten stürzten auf ihn ein, nicht wie Regen, sondern wie Hämmer, die gnadenlos auf ihn einschlugen. Er rollte weiter und wurde ins Gesicht, auf Brust und Rücken getroffen. Wasser krachte auf ihn herunter, wirbelte ihn herum, schleuderte ihn hin und her. Von seiner Tunika wurde ein Stück abgerissen und war blitzschnell verschwunden.
Die ganze Zeit trug ihn das Wasser immer höher, rasch legte er so eine meilenweite vertikale Strecke zurück. Wie ein winziges Samenkorn in einem mächtigen Aufwind stieg er im Stamm des großen Baums empor.
Luft! Ich brauche Luft!
In seinem Geist wurde es dunkel, während sich alles drehte. Aber trotz seiner getrübten Aufnahmefähigkeit wusste er, dass er ins obere Avalon getragen wurde – und dass sein Körper nach seinem Tod noch höher befördert würde. Doch was half ihm das jetzt? Denn er würde nie die Sterne erreichen, nie seinen Vater finden, nie Elli wiedersehen.Sein letzter Gedanke galt nur noch der Überraschung, dass er in diesem Moment an sie gedacht hatte.
Undeutlich spürte er, dass er aus der Kaskade geworfen und durch Luft, nicht durch Wasser geschleudert wurde. Sein Körper schlug auf etwas Hartes, rollte weiter und stieß dann an eine Wand. Dort blieb er ganz still liegen.
19
Hargols Höhle
I n dem kleinen Elfenboot näherten sich Elli und ihre Gefährten dem abgerundeten Kamm der Küste – da geschah es.
Mit einem Schauer schillernder Tropfen aus den Regenbogenmeeren hoben sich plötzlich vier riesige Köpfe aus dem Wasser. Es gab keine Warnung, keine Möglichkeit für Brionna, den Kurs zu wechseln. Ganz plötzlich, mit einem
Wuuschsch
aus Gischt schossen die Köpfe auf ihren ungeheuer langen Hälsen direkt aus den Wellen. An jeder Seite des Bootes sowie an Bug und Heck war einer. Jetzt spähten vier Paar schmale, glitzernde Augen auf die Gefährten herab.
»Drachen!«, rief Elli und starrte hinauf auf die schuppigen Hälse und die Kiefer, die über ihnen aufragten.
»Sie wollen uns zu ihrer Höhle führen«, sagte Lleu bissig. Er schaute kurz zu dem Falken auf seiner Schulter und schüttelte die Tropfen von seiner Kapuze. »Damit wir uns nicht verirren.«
»Wie nett von ihnen.« Nuics Farbe dunkelte von Violett zu einem trüben Grau.
Shim, der vor Überraschung gegen die Bootswand gefallenwar, streckte den Hals und schaute hinauf. »Die sein aber sichergewisslich groß! So groß wie ich vor länglicher Zeit gewesen sein.«
Das waren sie tatsächlich: Jeder Kopf war so groß wie ein stattliches Haus und enthielt viele Reihen blau gefärbter Zähne. Wie die langen, sich windenden Hälse waren die Köpfe mit Schuppen bedeckt, deren heller eisblauer Glanz bei allen Wasserdrachen anzutreffen war. Unter den riesigen Nüstern und in den dreieckigen Ohren zeigten die Schuppen grüne Algenstreifen.
Elli wurde klar, dass nur ein Teil dieser ungeheuren Körper sich über den Wellen zeigte, deshalb schaute sie über den Rand des Boots. Dort bewegten sich im farbigen Wasser die schattenhaften Brustpartien der Drachen, ihre breiten Rücken und mächtigen Schwänze. In großen, langsamen Schwüngen fegten die Schwänze vor und zurück, wobei sie wie muskulöse Ströme an- und abschwollen.
Weil die Drachen auf jeder Seite mit ihren ausgestreckten Beinen das Boot lenkten, ließ Brionna das Ruder los. »Sie trauen uns noch nicht einmal das Steuern zu«, murrte sie. Wie zur Antwort flatterte das Tangsegel knatternd im Wind.
Schnell umrundeten die Drachen die Biegung der Küste, gleichmäßig wendeten sie die geschmeidigen Hälse und brachten das Boot zu einer schwarzen Klippe voller Höhlen. Dort war ihr Ziel eine besondere Höhle, die sich öffnete wie ein Riesenmaul bei dem Versuch, das Meer zu schlucken. Der Rand war sorgfältig mit tiefblauen Muschelschalen besetzt, die geschwungene, wellenähnliche Muster bildeten.Selbst im nebligen Licht von Wasserwurzel, wo ständig Dünste wehten, glitzerten die Muschelschalen so hell wie Saphire.
Von ihrer Dracheneskorte vorangetrieben glitten sie ins aufgerissene Maul dieser Höhle. Elli und Brionna tauschten ängstliche Blicke, machten aber gleich darauf große Augen, weil der Tunnel, den sie sich dunkel vorgestellt hatten, in Licht
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