Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore
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»Mach dir keine Sorgen.« Gwirions Augen, die wie Pfützen geschmolzener Schokolade aussahen, beobachteten Tamwyn mitfühlend, während die Winkel seines großen Munds sich in einem dankbaren Lächeln nach oben zogen. »Wir haben sie zur Vernunft gebracht – Tulchinne, meine Schwester Fraitha und ich. Aber das war längst nicht so schwierig wie das, was du für mich getan hast.«
»Aber
. . .
wie war das mit diesem riesigen grauen Wolf? Warum hat er uns nicht einfach aufgefressen?«
Das Lächeln flackerte wie schwankendes Kerzenlicht über Gwirions Gesicht. »Es stimmt, das hätte er tun können und normalerweise hätte er nicht gezögert. Denn hier fressen Wölfe oft, was die Termiten übrig gelassen haben. Aber Wölfe sind auch Tiere mit seltenem Ehrgefühl und großer Würde. Als er sah, was du getan hast – welchen Mut du gezeigt hast, beschloss er, uns beide zu verschonen. Deshalb schleppte er uns hierher, in mein Dorf, als würde er zwei von seinen eigenen Jungen tragen. Und als Tulchinne uns fand, ging er davon.«
Tamwyn schaute hinüber zum Bündelriemen und den Zahnspuren darauf. »Ehrgefühl gibt es an überraschenden Orten.«
»Das stimmt, in der Tat.« Gwirion sah nicht den Bündelriemen an, sondern Tamwyn. Er beugte sich tiefer und legte die Handfläche auf die Stirn des jungen Mannes.
Plötzlich schüttelte Tamwyn den Kopf. »Deine Hand – sie ist so heiß! Du hast wieder dieses Fieber.«
Gwirion zog die Hand zurück und machte eine Mundbewegung, die belustigt und traurig zugleich wirkte. »Fieber? Nein, das ist meine normale Temperatur, allerdings ist sie viel niedriger, als sie sein sollte.«
»Niedriger? Das verstehe ich nicht.«
Gwirion kratzte sich die raue, rindenähnliche Haut seiner Stirn. »Weißt du, Menschensohn, unsere Feuer brennen seit langem schwach.«
»Feuer?«
»Die Feuer meines Volkes, der Ayanowyn.«
Wieder dieses Wort! Tamwyn erinnerte sich, wie es ihm plötzlich durch irgendeine magische Erkenntnis bei dem Wandbild in den Sinn gekommen war. Er wollte etwas sagen, aber Gwirion hob die braunen Hände.
»Sei still, mein Freund. Es ist Zeit, das sehe ich, für eine Geschichte. Eine der wenigen erhaltenen Fähigkeiten meines Volkes.«
Er pfiff nachdenklich vor sich hin, als würde er entscheiden, wo er anfangen sollte – eine Reihe leiser, melodischer Töne. Schließlich zog er sein Lendentuch zurecht und setzte sich mit gekreuzten Beinen auf den Boden. Er war so nah, dass Tamwyn die Hitze spürte, die seine Haut ausstrahlte. Doch diese extreme Wärme schien Gwirion nicht im Geringsten zu beunruhigen. Es war eher die Geschichte seines Volkes, die ihn beim Reden die Stirn runzeln ließ. Er erzählte vom Ruhm, aber nichts davon spiegelte sich auf seinem Gesicht.
»Vor vielen Tausenden von Flammen, als die ersten Ströme von Élano sich im Stamm des großen Baums regten – in dem Teil, den wir das Mittelreich nennen –, kam unser Volk in diese Welt. Von Ogallad dem Würdigen angeführt flogen wir in diese Länder herunter und unsere Körper brannten so hell wie unser Ziel.«
Tamwyn bewegte sich. »Flogen
herunter
? Dein Volk kam aus den Ästen?«
»Nein, Menschensohn. Wir kamen von den Sternen.«
Tamwyn hielt den Atem an.
Von den Sternen.
»Und wenn du sagst, deine Leute brannten
. . .
«
»Ich meine, wir brannten mit einem Feuer, das aus der Seele kommt –
Llalowyn
in unserer Sprache, das heißeste Feuer, das sterbliche Geschöpfe kennen. Und als wir in Avalon eintrafen, begrüßte uns Dagda selbst. Er sagte, wir würden viele Generationen lang die Herren des Mittelreichs sein und unsere Leute würden zu vielen wunderbaren Geschichten anregen, die uns lange überleben würden – entweder in den Liedern der Barden oder in den Wandbildern der Maler.
Denn Geschichten
, sagte er,
sind so unsterblich wie die Götter.
Dann krönte Dagda Ogallad mit einem goldenen Kranz als Symbol für unsere glorreiche Zukunft.«
Plötzlich verstand Tamwyn. Gwirions Volk waren die gleichen Geschöpfe, die er auf den Bildern gesehen hatte! Feuerengel – obwohl ihre Feuer gelöscht worden waren. Sie
waren
also wirklich.
Er deutete auf das verkohlte Bild an der Wand. »Ist er das? Euer erster Anführer?«
Gwirion sah gequält und stolz zugleich aus. »Das ist Ogallad, während sein Seelenfeuer hell brennt.« Er sah Tamwyn an. »Und jetzt willst du wahrscheinlich wissen, was mit unseren Flammen geschehen ist.«
Der junge Mann nickte.
»In den Tagen des
Lumaria col Lir
–
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