Der Zaubercode
wären entsetzt zu erfahren, was er getan hatte; wie würde sich dann wohl jemand fühlen, der kaum etwas von Magie verstand? Selbst in dieser aufgeklärten Zeit waren die meisten Bauern abergläubisch und viele glaubten immer noch an die alten Geschichten von untoten Monstern und Geistern. Wenn sie mitbekommen würden, Gala sei nicht menschlich, könnte sie niemals die Welt wie eine normale Person erleben.
Esther sah ihn weiterhin an und er seufzte, da er die Frau, die ihn nach dem Tod seiner Mutter aufgezogen hatte, nicht anlügen wollte. »Esther«, sagte er vorsichtig, »Gala hat eine Macht, die der Rat ... als Bedrohung empfinden könnte.«
Seine ehemalige Kinderfrau blickte ihn an und ihr Gesichtsausdruck wurde langsam härter. Sie hasste den Rat noch mehr als er, da sie ihn für Louies Tod verantwortlich machte. Sie hatte auch seinen Bruder aufgezogen, ihn von Geburt an versorgt und war von seinem Verlust schwer getroffen worden. »Ich werde auf sie aufpassen«, versprach sie grimmig.
»Gut«, antwortete Blaise erleichtert. »Denk bitte auch daran, dass sie sehr behütet aufgewachsen ist.« Er hatte sich dazu entschlossen, ihr die halbe Wahrheit zu sagen.
Jetzt schien Esther verwirrt zu sein. »Ein behütetes, junges Mädchen, welches eine Bedrohung für den Rat darstellt? Wie bist du denn auf sie gestoßen?« Dann hob sie ihre Hände in die Luft. »Keine Angst. Ich weiß, du wirst es mir nicht sagen.«
Blaise grinste sie an. »Du bist die Beste Tante Esther.«
»Ja, ja«, entgegnete sie ihm und blickte ihn aus zusammengezogenen Augen an. »Dann vergiss das auch nicht.«
»Das werde ich nicht«, versprach Blaise und beugte sich nach unten, um ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange zu geben. Danach griff er in seine Hosentasche und holte einen prall gefüllten Geldsack hervor, den er Esther in die Hand drückte. »Hier ist eine kleine Entschädigung für Galas Kost und Logis—«
»Blaise, das ist ein kleines Vermögen!« Sie starrte ihn entsetzt an. »Mit dem Geld könntest du ein Haus kaufen. Das ist viel zu viel dafür, ein dürres Mädchen durchzufüttern.«
Blaise wollte Esther gerade damit aufziehen, immer jeden durchfüttern zu wollen, als ihm etwas auffiel. Er hatte Gala nie gefragt, ob sie etwas essen wollte. Er wusste nicht einmal, ob sie wie eine normale Person etwas zu essen brauchte, oder ob sie, wie er, ihre Körperenergie durch Magie halten konnte. Er trat sich in Gedanken dafür, so unbedacht gewesen zu sein. Jetzt mit Maya und Esther bei ihr, konnte er auf jeden Fall sicher sein, dass sie nicht verhungern würde, falls sie essen musste, dachte er erleichtert.
Der Gedanke an Essen erinnerte ihn an die schwierige Lage der Bauern. »Wie steht's mit der Ernte?«, fragte er und wechselte damit das Thema. Die Dürre, die vor einigen Jahren eingesetzt hatte, war die Schlimmste seit Generationen. Sie betraf ganz Koldun, von einem Ozean bis zum anderen, und vernichtete fast überall die Ernten.
Esther lächelte ihn an. »Deine Arbeit hat wirklich einen Unterschied gemacht, Kind. Uns geht es viel besser, als den Menschen anderswo.«
Blaise nickte zufrieden. Als die Dürre begann, hatte er die verrückte Idee gehabt, einen Zauber zu wirken, der die Samen stärkte, sie verschiedenen Krankheiten gegenüber resistenter machte und ihren Wasserbedarf reduzierte. Die Verbesserungen, die daraus resultierten, gingen wie geplant in das Erbgut der Pflanzen über und ermöglichten es seinen Untertanen, in diesen schwierigen Zeiten reichlich gesundes Getreide zu sähen und zu ernten. »Das freut mich«, sagte er. »Die anderen im Dorf wissen es nicht, oder?«
»Nein.« Esther schüttelte ihren Kopf. »Sie wissen, dass es uns besser geht als den anderer Regionen und dass du ein guter Herr bist, aber ich denke nicht, dass sie das ganze Ausmaß deiner Hilfe begreifen.«
Blaise seufzte. Er fühle sich häufig, als helfe er seinen Untertanen nicht genug — und schon gar nicht den anderen Bewohnern Kolduns. Das war auch einer der Gründe, weshalb er Gala erschaffen hatte, auch wenn sie nicht so geworden war, wie er das vorgehabt hatte.
»Ich werde bald nach ihr sehen«, meinte er und machte sich fertig, zu gehen. »Ich bin mir sicher, alles wird gut gehen, aber bitte, hab ein Auge auf sie.«
Die alte Frau schnaufte. »Wenn ich dich und deinen Bruder aus Problemen heraushalten konnte, bin ich mir sicher, auch mit deiner jungen Freundin umgehen zu können.«
Blaise musste lachen. Das stimmte, wenn es
Weitere Kostenlose Bücher