Der Zaubercode
stärker zu sein als alles, über das Vik gelesen hatte. Wenn er nicht den Schutzzauber benutzt hätte, auf den Ganir bestand, während er im Einsatz war, wäre der Schrei das letzte gewesen, das Vik jemals gehört hätte. So dagegen, hatte er nur Schmerzen. Die ungeschützten Menschen auf dem Platz fielen auf ihre Knie und bluteten aus ihren Ohren.
Nur eine Person blieb stehen — die junge Frau, die Vik davor schon aufgefallen war. Benebelt sah er dabei zu, wie das schöne Mädchen auf die Plattform zuging und ihre Arme um den Dieb legte, der zu einem blutigen Ball zusammengerollt auf dem Boden lag.
Und dann spürte Vik es — ein Gefühl von Frieden und Wärme, anders als alles, was er jemals zuvor erlebt hatte. Es war Schönheit, es war Liebe, es war Glückseligkeit ... und es war unbeschreiblich. Die Welle schien vom Zentrum des Platzes auszugehen, dort wo sich die Frauen umarmten.
Ein Zauber, realisierte er verschwommen. Er fühlte die Auswirkungen eines Zaubers, der so stark war, dass er seine magischen Verteidigungen durchdrang.
Sein Finger kribbelte und als er hinunter sah, konnte er dabei zuschauen, wie der Splitter langsam aus seinem Fleisch kam und die Wunde sich selbst heilte, bis alle Spuren einer Verletzung verschwunden waren. Selbst sein Kopf, der eben noch von dem Schrei geschmerzt hatte, fühlte sich wieder völlig normal an.
Unten konnte er sehen, dass die Menge immer noch kniete und die junge Frau voller Verzückung anschaute. Hatten sie auch gerade die gleiche Euphorie wie er verspürt?
Und dann wusste er, sie hatten es — das wunderschöne Mädchen entfernte sich von dem Dieb, und die Hand der Frau war wieder intakt. Welchen Zauber diese junge Zauberin benutzt haben mochte, er war so stark gewesen, alle Zuschauer mit einzubeziehen und sogar Viks kleine Verletzung zu heilen. »Was ist das für eine Art von Magie?«, fragte er sich mit ängstlicher Bewunderung.
Vik verstand jetzt, warum Ganir so viele seiner Männer beauftragt hatte, das Mädchen zu finden. Als die Zauberin Davish berührte, stach sich Vik in den Finger und berührte die Momentaufnahmen-Sphäre, die er bei sich trug.
* * *
Sein Herz raste und Ganir kam wieder zu Bewusstsein. Einen kurzen Moment lang fragte er sich, ob er sich jemals an die desorientierenden Nebenwirkungen seiner Erfindung gewöhnen würde, und dann wanderten seine Gedanken zu dem zurück, was er gerade gesehen hatte.
»Was hat der Junge getan?«, dachte er düster, stach sich in den Finger und berührte die Momentaufnahmen-Sphäre.
* * *
Augusta kam wieder zu sich und schnappte nach Luft. Schnell stach sie sich in den Finger und berührte die Sphäre auf dem Tisch vor sich. Sie wollte auf keinen Fall ihre privaten Gedanken mit der Person zu teilen, die die Aufnahme als nächstes erleben würde, so wie das bei Ganir eben der Fall gewesen war. Es war schlimm genug, dass es immer noch einen Augenblick mit ihren aufgezeichneten Gefühlen geben würde, die jeder sehen konnte — einen Augenblick voller Entsetzen und Abscheu.
Ihre Ängste hatten sich bewahrheitet: dieses Ding hatte übernatürliche Fähigkeiten.
»Was ist mit Davish passiert?«, fragte sie Ganir und versuchte ruhig zu bleiben. »Am Ende der Aufnahme berührte die Kreatur ihn gerade.«
Der Ratsvorsitzende zögerte kurz. »Er ist ... nicht mehr genau er selbst, seit dieser Begegnung, meint Vik.«
»Wie meinst du das?« Augusta sah ihn fragend an.
»Wie viel weißt du über Davish?«
Sie runzelte ihre Stirn. »Nicht viel. Ich weiß, er ist Kelvins Aufseher und vermutlich nicht viel besser als unser geschätzter Kollege.«
Kelvin war das Ratsmitglied, welches sie am wenigsten mochte. Seine schlechte Behandlung anderer Menschen war legendär. Vor einigen Jahren hatte Blaise sogar das Gesuch eingereicht, Kelvin aus dem Rat zu verbannen und seine Gebiete zu konfiszieren, aber natürlich hatte es niemand gewagt, derart gegen einen anderen Zauberer vorzugehen. Stattdessen hatte Kelvin Davish als Aufseher eingesetzt — und der war ein Spiegelbild seines Meisters, was den Umgang mit den Bauern betraf.
Ganir nickte und ein angewiderter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. »Das ist eine Untertreibung. Davishs Ruf eilt ihm voraus. Diese Scheußlichkeit, die sie Kolosseum nennen, war auch seine Idee—«
»Was ist mit ihm passiert?«, unterbrach Augusta.
»Naja, nach dem Zusammentreffen, welches du eben gesehen hast, hat Davish anfangen viele Sachen zu ändern. Er hat Hilfe
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