Der Zauberer von Stonehenge
oder in weite Fernen, die nur für sie sichtbar waren.
»Da hast du es«, flüsterte ich Suko zu.
»Wieso ich?«
Ich mußte grinsen und beugte mich vor Sara nieder. »Hör zu, Mädchen, wir wollen dich ja nicht stören, aber der Zauberer ist wirklich nichts für dich. Wir kennen ihn. Das ist ein gefährlicher Scharlatan. Verstehst du das?«
»Ich erwarte ihn.«
»Wenn du dich da nicht mal vertust«, sagte ich. »Bleib lieber hier sitzen und denke an was Schönes.« Ich stellte mich wieder aufrecht und schaute Suko zu, als er das Zelt verließ.
Octavio erwartete uns vor dem Eingang mit glänzenden Augen. »Na?« fragte er. »Wie fühlt ihr euch in den Kutten? Habt ihr nicht eine neue Haut übergestreift und die alte abgelegt?«
»So ähnlich«, erwiderte ich.
»Als ich meine Kutte zum erstenmal trug, kam ich mir vor wie ein Engel, der fliegen kann.«
Ich schüttelte den Kopf. Entweder war das ein harmloser Irrer oder ein verdammt gefährlicher Typ. Aus diesen Gurus wurde man ja leider nicht schlau.
»Und wohin entschweben wir?« konnte ich mir nicht verkneifen, zu sagen.
»Fort!« rief er und rollte das R. »Sehr weit fort. Aber nicht jetzt. Ich werde euch nun zu seinem Boten führen, den er uns gesandt hat. Er hat uns auch die Botschaft gegeben, der wir gefolgt sind. Kommt mit, folgt mir, meine Brüder.«
Suko hob die Schultern, ich ebenfalls. Wir beide waren wohl zu dumm, um ihn zu begreifen. Aber das konnte sich ja alles noch ändern. Wir mußten nur Vertrauen zu ihm haben.
Wieder ging er vor. Diesmal bewegten wir uns am Rand des Lagerplatzes entlang.
Es würde nicht lange dauern, bis die Dunkelheit das Land bedeckte. Die Stonehenge People warteten auf den Sonnenaufgang, um Kraft aus dem Kosmos zu schöpfen oderum die Ankunft des Zauberers zu feiern. Wie ich ihn einschätzte, würde er sicherlich früher hier erscheinen. Hinzu kam, daß er bereits einen Boten geschickt hatte. Da fragte ich mich, um wen es sich wohl handelte.
Wenn uns andere Menschen entgegenkamen, so grüßten sie den Meister mit Ehrfurcht und Respekt. Auch für uns hatten sie stets ein Lächeln übrig. Die waren mir schon zu freundlich. Hoffentlich steckte hinter dieser Fassade nicht das kalte Grauen. Vor einem Zelt blieben wir stehen. Der Eingang lag nur eine Körperlänge vor uns.
»Ich werde euch jetzt den Boten des Zauberers zeigen«, flüsterte uns Octavio zu. »Wenn ihr ihn seht, so werdet ihr begeistert sein, denn er besitzt ein wertvolles Kleinod.«
»Ja, Bruder«, sagte ich, »wir warten.«
»Moment noch!« Er bückte sich, streckte eine Hand aus und klappte den Zelteingang auf, so daß er sich zwar hindurchschieben, wir aber nicht in das Zelt hineinschauen konnten.
»Bin gespannt, was das wieder sein wird?« sagte Suko leise.
»Ich habe ein komisches Gefühl.«
»Und welches?«
»Wir vermissen doch jemanden.«
»Meinst du Phil Grover?«
»Wen sonst?«
Suko hatte sogar eine Gänsehaut bekommen, als ich den Namen erwähnte. Ich sah, wie er schluckte, er wollte noch etwas hinzufügen, doch Octavio kehrte zurück.
»Bitte«, sagte er leise und mit einer Stimme, die leicht vibrierte. »Ihr dürft eintreten, Brüder.«
Das taten wir auch. Ich stand näherund ging zurück. Octavio hielt den Eingang offen. Suko folgte mir auf dem Fuß in ein Zelt, wo zwei Fackeln brannten.
Die Schalen standen auf kleinen Baumstämmen. Darin bewegten sich die Flammen wie seichte Finger. Sie leuchteten rot und gelb. Aber das alles interessierte mich nicht.
Mein und Sukos Blick waren auf die Gestalt gefallen, die rücklings auf einem rechteckigen Felsblock lag.
Ich hatte mit meiner Vermutung recht behalten. Es war Phil Grover. Nur steckte in seiner Kehle die Scherbe, auf die er so stolz gewesen war… Nein, das war kein Spaß mehr. Aus diesem angeblichen »Spaß« war blutiger Ernst geworden.
Ich spürte, wie es mir kalt den Rücken hinablief. In der Kehle setzte sich etwas fest, meine Lippen waren plötzlich trocken, und ich weigerte mich fast, in das Gesicht des Mannes zu schauen.
Es war bleich wie das einer Leiche!
Neben mir atmete Suko zischend aus. »Sie sind doch nicht so harmlos, scheint mir.«
»Das merke ich auch.« Ich drehte mich auf der Stelle hastig um, doch Octavio war verschwunden. Er hatte uns allein gelassen.
»Ich gehe vor das Zelt«, sagte Suko. »Kümmere du dich um den Toten, John.«
Was er damit meinte, war mir unklar, doch ich nahm seinen Ratschlag an. Das Feuer spendete genügend Licht, um Phil Grover
Weitere Kostenlose Bücher