Der Zauberhut
hatte.
»Gibt es dort drüben irgend etwas zu trinken?« fragte er.
»Jede Menge«, sagte Nijel.
»Das könnte für den Anfang genügen«, überlegte der Serif laut. »Na schön, ich folge dir, o pfirsichbrüstige Tochter…«
»Bitte keine Poesie.«
Sie krochen aus dem Gebüsch, wanderten den Hang hinab, setzten den Weg über die Straße fort und erreichten kurz darauf die bereits erwähnte Taverne. Krösus bestand darauf, sie Karawanserei zu nennen.
Einige Meter vor der Tür zögerten sie. Die Schenke wirkte nicht besonders freundlich, erweckte den Eindruck, als lehne sie Besucher ab. Conina gab dem Ruf ihrer Gene nach, schlich um das Gebäude herum und fand vier Pferde.
Nachdenklich beobachteten sie die Tiere.
»Es wäre Diebstahl«, sagte Nijel langsam.
Conina öffnete den Mund, um ihm zuzustimmen, doch ihre Zunge vertrat eine andere Ansicht. »Was soll’s?« erwiderte die junge Frau und zuckte mit den Achseln.
»Vielleicht sollten wir Geld zurücklassen«, schlug Nijel vor. »Sieh mich nicht so an«, sagte der nüchterne Serif. »Meine Taschen sind leer. Und mein Magen ebenfalls.«
»Wir könnten auch eine kurze Nachricht schreiben und den Zettel an die Tür heften. Oder so. Was meint ihr?«
Conina antwortete, indem sie sich auf den Rücken des größten Rosses schwang. Es schien einem Soldaten zu gehören; überall hingen Waffen. Krösus kletterte aufs zweite Pferd, einen recht unruhigen Braunen. Er seufzte.
»Sie hat wieder den Briefkastenblick«, sagte er. »Dadurch bleibt uns keine andere Wahl.«
Nijel musterte die beiden anderen Pferde argwöhnisch. Eins war recht groß und extrem weiß. Nun, die meisten Rösser schaffen es nur bis zu einem gebrochenen Weiß, aber in diesem besonderen Fall handelte es sich um einen fast durchsichtigen, elfenbeinfarbenen Ton, in dem Nijels Unterbewußtsein etwas Leichenhaftes zu erkennen glaubte. Unbehagen regte sich in ihm, als er ahnte, diesem speziellen Pferd intellektuell unterlegen zu sein.
Er entschied sich für das andere. Es wirkte ein wenig mager, erwies sich jedoch als gutmütig und sanft. Schon beim dritten Versuch gelang es Nijel, im Sattel Platz zu nehmen.
Sie ritten los.
Das Pochen der Hufe durchdrang nicht die Mauern der Taverne. Eine eigentümliche Düsternis umhüllte den Schankraum, und der Wirt bewegte sich wie in einem Traum. Er wußte, daß er Gäste bediente; er hatte sogar mit ihnen gesprochen und sah, daß sie am Tisch saßen, dicht neben dem Kamin. Aber er war nicht imstande, die Gestalten zu beschreiben. Nun, das menschliche Bewußtsein versteht es ausgezeichnet, Dinge zu verdrängen, mit denen es sich nicht befassen möchte. Bei solchen Gelegenheiten errichtet es massive mentale Schilde, um sich vor unliebsamen Erkenntnissen zu schützen. Im Falle des Wirts hätten sie ausgereicht, um einen Banktresor abzuschirmen.
Und dann die Getränke! Von den meisten hatte er noch nie etwas gehört. Ständig erschienen seltsame Flaschen im Regal über den Bierfässern, und wenn er versuchte, einen verstohlenen Blick auf die Etiketten zu werfen, weigerten sich die Augen, die verschnörkelten Buchstaben zu lesen.
Die Gestalten am Tisch sahen von ihren Karten auf.
Eine von ihnen hob die Hand. Sie befindet sich am Ende des Arms und endet in fünf Fingern, dachte der Wirt. Also muß es eine Hand sein.
Seine Trommelfelle versuchten vergeblich, sich irgendwo zu verkriechen, um nichts mehr zu hören. Diese besondere Stimme klang so, als schlage jemand mit hohlen Bleirohren auf einen harten Felsen.
MANN HINTER DER THEKE.
Der Wirt stöhnte innerlich. Heiße Lanzen des Entsetzens brannten sich durch die Stahltür seines Geistes.
MAL SEHEN. WIR MÖCHTEN… WIE HEISST DAS ZEUG?
»Eine Bloody Mary«, sagte eine andere Gestalt. Bei ihr hörte sich jede einzelne Silbe wie eine Kriegserklärung an.
OH, JA. UND…
»Ich möchte einen Eiercognac«, sagte Pestilenz.
EINEN EIERCOGNAC.
»Mit einem Schuß Kirschsaft. «
SCHMECKT SICHER SEHR GUT, log die Grabesstimme. FÜR MICH EIN GLAS PORTWEIN. Die dunkle Figur blickte über den Tisch, sah den vierten Angehörigen des Quartetts an und seufzte. AUSSERDEM RATE ICH DIR, NOCH EINE SCHÜSSEL MIT ERDNÜSSEN ZU BRINGEN.
Etwa dreihundert Meter entfernt versuchten die Pferdediebe, sich an eine völlig neue Erfahrung zu gewöhnen.
»Ein sehr angenehmer Ritt«, sagte Nijel nach einer Weile. »Völlig ruckfrei.«
»Und die Aussicht ist wirklich gut«, kommentierte Krösus. Warmer Wind stahl ihm die Worte von den
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