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Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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ließe sich fortsetzen.
    »Können wir das alles verhindern?«
An diesem Punkt ist die Zukunft ungewiß.
Das entschlossene Entsetzen wich allmählich aus Rincewinds Zügen. »Prüfst du meine Gutgläubigkeit?« argwöhnte er.
    Es wäre sicher einfacher, wenn du dich an deine Anweisungen hieltest und nicht versuchtest, gewisse Dinge zu verstehen, sagte der Hut. Junge Dame, leg uns in unsere Schachtel zurück. Bald werden viele Leute nach uns Ausschau halten.
    »He, warte mal«, brummte Rincewind. »In den vergangenen Jahren habe ich dich oft gesehen, aber du hast nie gesprochen.«
Wir schwiegen, weil wir nichts zu sagen hatten.
    Rincewind nickte. Es klang vernünftig.
»Verstau das Ding endlich in der Schachtel und laß uns von hier verschwinden«, schlug die Namenlose vor.
    »Ein bißchen mehr Respekt, wenn ich bitten darf, junges Fräulein«, sagte Rincewind geziert. »Du siehst hier das Symbol uralter Zauberei.«
    »Ich überlasse es dir«, sagte die Unbekannte.
    »Nicht so hastig«, stieß Rincewind hervor und folgte der jungen Frau, als sie an verwitterten Mauern entlangeilte, eine schmale Straße überquerte und durch eine dunkle, schmale Gasse zwischen zwei Häusern huschte, die sich wie betrunken aneinanderlehnten. Es sei hinzugefügt, daß sich ihre oberen Stockwerke tatsächlich berührten. Schließlich seufzte die Namenlose und blieb stehen.
    »Was ist denn?« fragte sie.
    »Du bist der geheimnisvolle Dieb, nicht wahr?« sagte Rincewind. »Ich meine, die geheimnisvolle Diebin. Du bist in aller Munde.« Er errötete und verbesserte sich hastig: »Das heißt, alle Leute reden von dir. Angeblich gelang es dir, in verriegelte Schatzkammern einzudringen und so. Äh, ich habe mir dich ein wenig anders vorgestellt.«
    »Ach?« erwiderte sie kühl. »Wie denn?«
    »Nun, du bist… äh… kleiner.«
Die junge Frau seufzte erneut. »Komm weiter.«
In diesem Teil von Ankh-Morpork glühten nur wenige Laternen, aber weiter vorn gab es überhaupt keine mehr. Pechschwarze Finsternis wartete dort und grinste erwartungsvoll.
»Ich sagte, komm weiter«, wiederholte die Diebin. »Wovor fürchtest du dich?«
    Rincewind holte tief Luft. »Vor Mördern, Assassinen, Erwürgern, Halsabschneidern, selbsternannten Henkern, Räubern, Banditen und anderen Schurken, die in keine bestimmte Kategorie passen«, erwiderte er. »Dort vorn beginnen die Schatten!« 8
    »Ja«, bestätigte die Namenlose. »Niemand wird es wagen, dort nach uns zu suchen.«
    »Oh, die Soldaten werden uns folgen, wie es sich für ordentliche Verfolger gehört, aber anschließend können sie nicht wieder zurückkehren, weil sie unliebsame Bekanntschaft mit heimtückischen Messern, hinterhältigen Dolchen und gemeinen Totschlägern machen«, sagte Rincewind voller Unbehagen. »Weißt du, ich bin keine Echse, sondern ein Mensch. Ich habe nur eine dünne Haut, keinen dicken Panzer. Und deshalb möchte ich darauf verzichten, ebenso einmalige wie endgültige Erfahrungen in den Schatten zu sammeln. Du solltest dir ein Beispiel an mir nehmen. Ich meine, eine wunderhübsche junge Frau wie du… Wie schrecklich wäre es, wenn du… Ich meine, einige Leute in dem Viertel vor uns… Insbesondere die Männer…«
    Die Diebin lächelte. »Du bist bei mir«, sagte sie mit einer Stimme, die wie besonders süßer Honig klang. »Du wirst mich sicher beschützen.«
    Rincewind glaubte, in einer nahen Gasse schwere Gardistenschritte zu hören.
»Ich wußte, daß du so etwas sagen würdest«, entgegnete er verzweifelt.
    Durch diese dunklen Straßen muß ein Mann gehen, dachte er. Und irgendwo beginnt er zu rennen.
     

    I n dieser nebligen Frühlingsnacht ist es so finster in den Schatten, daß es zu dunkel wäre, um über Rincewinds Weg durch die gespenstischen Gassen zu lesen. Daher müssen die beschreibenden Passagen über die verzierten Dächer und den Wald aus schiefen Schornsteinen gehoben werden. Der Leser mag die wenigen funkelnden Sterne bewundern, deren Licht durch die wogenden Dunstschwaden dringt, und der Autor rät ihm, die von unten herauffilternden Geräusche zu ignorieren: das Scharren ängstlicher Füße, das Knacken von zu dünnen Knochen, die gedämpften Schreie, das Knirschen und Ächzen und Stöhnen. Es hört sich an, als sei in den Schatten ein Raubtier unterwegs, das gerade eine zweiwöchige Hungerdiät beendet hat.
    Nicht weit vom Zentrum dieses Viertels entfernt – die Schatten sind nie vollständig kartographisch erfaßt worden – befindet sich ein kleiner

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