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Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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öffnete und schloß den Mund, ohne daß sich seiner Kehle ein Laut entrang. Schließlich brachte er hervor: »Im Ernst?«
    Die junge Frau zwinkerte ihm zu, wahrscheinlich eine Art Signal. Rincewind fühlte sich verpflichtet, es zu verstehen, doch in den dunklen Tiefen seines Ichs regten sich seltsam leidenschaftliche Empfindungen. Sie weckten zwar keinen Mut in ihm, aber Zorn. Hinter der Stirn und unter der Hutkrempe fand ein Gespräch statt, das hier in wesentlichen Auszügen wiedergegeben werden soll: Hallo.
Wer bist du?
Dein Gewissen. Ich fühle mich schrecklich. Sieh nur, die Soldaten führen Conina fort.
Besser sie als mich, erwiderte Rincewind, dachte an Operationen und Chirurgenmesser.
Unternimm etwas!
    Gegen so viele Soldaten kann ich nichts ausrichten. Sie würden mich töten!
Und wenn schon. Dein Tod ist nicht das Ende der Welt.
    Für mich schon, dachte Rincewind grimmig.
Stell dir vor, wie stolz du im Jenseits auf dich sein könntest… Halt endlich die Klappe, in Ordnung? Ich habe genug von mir. Abrim näherte sich Rincewind und beobachtete ihn neugierig. »Mit wem sprichst du?« fragte er.
»Ich warne dich«, stieß Rincewind zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich werde von einer magischen Truhe mit vielen Beinen begleitet, und sie fällt gnadenlos über alle meine Feinde her. Ein Wort von mir genügt, und…«
    »Ich bin beeindruckt«, sagte Abrim. »Ist sie unsichtbar?«
Rincewind drehte langsam den Kopf.
Man kann nicht behaupten, Truhe sei nirgends zu sehen. Irgendwo war sie zu sehen, aber leider befand sich der entsprechende Ort nicht in Rincewinds Nähe.
Abrim zupfte an seinem Schnurrbart und ging langsam um den Tisch herum, auf dem der Hut des Erzkanzlers lag.
»Dies ist ein Artefakt der Macht«, brummte er. »Ich frage dich noch einmal: Was hat es damit auf sich? Was vermag es zu leisten?«
    »Warum richtest du die Frage nicht direkt an den Hut?« entgegnete Rincewind.
»Weil er es ablehnt, mir Auskunft zu geben.«
    »Nun, was möchtest du wissen?«
Der Großwesir lachte, und es klang nicht sehr freundlich. Es hörte sich an, als sei ihm das Lachen mehrmals geduldig erklärt worden – ohne irgendeinen Hinweis auf Humor.
    »Du bist Zauberer«, sagte er. »Zauberei ist magische Macht. Nun, ich habe mich selbst schon mit Magie beschäftigt und glaube, talentiert zu sein.« Abrim straffte seine Gestalt. »O ja. Aber man wies mich an der Universität ab. Es hieß, ich sei geistesgestört. Nicht zu fassen, was?«
    »Nein«, erwiderte Rincewind ehrlich. Er konnte es tatsächlich nicht fassen. Die meisten Zauberer der Unsichtbaren Universität hatten weitaus mehr Schrauben locker als Abrim. Der Wesir wäre sicher imstande gewesen, die Aufnahmeprüfung mühelos zu bestehen. Er brachte alle notwendigen Voraussetzungen mit.
Abrim bedachte ihn mit einem ermutigenden Lächeln.
Rincewind warf einen kurz Blick auf den Hut, der weiterhin schwieg.
    Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Großwesir. Das Lachen war schon gespenstisch genug gewesen, doch wenn man es mit Abrims Lächeln verglich, klang dieses so melodisch wie der Gesang einer Nachtigall. Er schien das Grinsen mit Hilfe von Diagrammen und grafischen Darstellungen gelernt zu haben.
    »Nicht einmal wilde Pferde würden mich dazu bringen, dir in irgendeiner Art und Weise zu helfen«, sagte Rincewind.
    »Oh«, erwiderte der Großwesir. »Eine Herausforderung.« Er winkte den nächsten Wächter herbei.
»Haben wir wilde Pferde in den Ställen?«
    »Einige sind ziemlich bockig, Herr.«
    »Wähl die vier unberechenbarsten Rösser aus, und führ sie auf den drehwärtigen Hof. Und bring, äh, mehrere Ketten mit.«
    »Wie du befiehlst, Herr.«
    »Ähem«, machte Rincewind. »Hör mal…«
    »Ja?« fragte Abrim.
»Wenn du die Sache so siehst…«
    »Möchtest du mir etwas sagen?«
    »Weißt du, es ist der Hut des Erzkanzlers«, platzte es aus Rincewind heraus. »Das Symbol der Zauberei.«
    »Mächtig?«
Rincewind schauderte. »Sehr«, erwiderte er.
»Und der Erzkanzler?«
    »Nun, äh, der Erzkanzler ist von uns allen am ältesten. Der älteste Zauberer, sozusagen. Das Oberhaupt der Universität. Er… Was machst du da?«
    Abrim griff nach dem Hut und drehte ihn hin und her.
»Mit anderen Worten: Dies ist das Zeichen des obersten magischen Amtes?«
    »Ja, das stimmt, aber, nun, wenn du ihn aufsetzen willst… Ich sollte dich besser warnen…«
Sei still.
Abrim sprang zurück und ließ den Hut fallen.
Der Zauberer hat keine Ahnung.

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