Der Zauberhut
›Zaubberer‹ ein recht deutlicher Hinweis ist, nicht wahr?«
Rincewind rang sich ein besorgtes Lächeln ab.
»Entschuldige bitte«, sagte er. »Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz folgen.«
»Trenn dich von den Sachen. Ist doch gar nicht so schwer, oder? Versteck sie irgendwo und sei das, was du, nun, sein möchtest. Irgend etwas. Nur kein Zauberer.«
Betretenes Schweigen folgte, während in der Ferne Klingen klirrten.
»Äh«, machte Rincewind und schüttelte den Kopf. »Leider weiß ich noch immer nicht genau, worauf du hinauswillst…«
»Gütiger Himmel, es ist doch ganz einfach!«
»… entzieht sich bedauerlicherweise meinem Verständnis…«, murmelte Rincewind. Sein Gesicht war kalkweiß, und Schweiß perlte auf seiner Stirn.
»Du kannst aufhören, ein Zauberer zu sein.«
Rincewinds Lippen zitterten, als er die einzelnen Worte stumm wiederholte, zuerst einzeln, dann alle zusammen.
»Was?« hauchte er. Und schließlich: »Oh.«
»Kapiert? Oder brauchst du’s schriftlich?«
Rincewind schüttelte kummervoll den Kopf.
»Ich glaube, du verstehst nicht. Ein Zauberer wird nicht zu einem Zauberer, weil er sich auf eine bestimmte Weise verhält, sondern weil er ein Zauberer ist.« Er verstand es ausgezeichnet, kursiv zu sprechen. »Wenn ich kein Zauberer wäre, existierte ich überhaupt nicht.« Rincewind nahm seinen Hut ab und betastete nervös den lockeren Stern an der Spitze. Einige kleine Pailletten lösten sich und fielen zu Boden.
»Ich meine, hier steht Zauberer geschrieben«, fügte er hinzu. »Es ist sehr wichtig…«
Er unterbrach sich und riß die Augen auf.
»Hut«, sagte er leise, als eine zaghafte Erinnerung im Nebel seines Geistes winkte.
»Ein guter Hut«, versicherte Nijel, der glaubte, man erwarte eine solche Bemerkung von ihm.
»Hut«, sagte Rincewind noch einmal. Dann platzte es aus ihm heraus: »Der Hut! Wir müssen den Hut finden!«
»Du hast doch bereits einen«, warf Nijel ein.
»Ich meine nicht diesen Hut, sondern einen anderen Hut. Den Hut. Und Conina!«
Er wankte einige Meter weit durch die Gasse, verharrte und taumelte zurück.
»Hast du eine Ahnung, wo sie sein könnten?« fragte er.
»Wer?«
»Es geht um einen magischen Hut. Und eine junge Frau.«
»Wie?«
»Es ist nur schwer zu erklären. Ich fürchte, daß Schreie dabei eine wichtige Rolle spielen.«
Nijel besaß kein sehr ausgeprägtes Kinn, aber er schob es trotzdem vor.
»Eine junge Frau, die gerettet werden muß?« erkundigte er sich mit grimmiger Entschlossenheit.
Rincewind zögerte. »Nun, ich bin sicher, irgendwer sollte gerettet werden«, antwortete er. »Vielleicht Conina. Oder jemand in ihrer Nähe.«
»Warum hast du das nicht gleich gesagt? Auf eine solche Gelegenheit hoffe ich schon seit… seit drei Tagen! Barbarische Helden retten doch dauernd irgendwelche Leute, nicht wahr? Meistens Prinzessinnen in hohen Kerkern und junge Frauen in tiefen… Ich meine…« Nijel holte tief Luft. »Komm!«
Etwas krachte, und die von Rincewind befürchteten Schreie erklangen. »Wohin?« fragte der Zauberer.
»Weg von hier!«
Für gewöhnlich neigen Helden dazu, wie verrückt durch einstürzende Paläste zu eilen, die sie kaum kennen, alle in Gefahr befindlichen Personen zu retten und gerade rechtzeitig genug nach draußen zurückzukehren, bevor das Gebäude in sich zusammenfällt oder im Sumpf versinkt. Nijel und Rincewind hielten sich wenigstens teilweise an das traditionelle Szenario. Sie besuchten die Küche, verschiedene Thronkammern und die Ställe (zweimal). Außerdem lernten sie Dutzende von Fluren und Korridoren kennen. Ab und zu eilten schwarzgekleidete Soldaten an ihnen vorbei, ohne ihnen die geringste Beachtung zu schenken.
»Das ist doch lächerlich«, sagt Nijel schließlich. »Warum fragen wir nicht jemanden? Ist alles in Ordnung mit dir?«
Rincewind lehnte an einer mit peinlichen Darstellungen geschmückten Säule und versuchte offenbar, sich die Lungen aus dem Leib zu keuchen.
»Du könntest dir einen Wächter schnappen und ihn foltern, um Auskunft zu bekommen«, schlug er vor und schnappte nach Luft. Nijel bedachte ihn mit einem sonderbaren Blick.
»Warte hier«, sagte er und schlenderte umher, bis er einen Bediensteten fand, der gerade mehrere Schränke plünderte.
»Entschuldige bitte«, wandte er sich an den Mann. »Wie gelangt man zum Harem?«
»Durch den Gang dort drüben«, lautete die Antwort. »Die dritte Tür links.«
»In Ordnung.«
Nijel kehrte zurück und erstattete Bericht.
»Hast
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