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Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Krösus hätte sich vermutlich von seinen glühenden Augen und dem wirren Haar stimuliert gefühlt.
    Er sah aus wie jemand, der gerade einige Zirbeldrüsen verspeist und sie mit einer Mischung aus Adrenalin und Chrom hinuntergespült hatte. Er schien einen einzigartigen mentalen Höhenflug zu erleben, ohne sich irgendwelche Sorgen über die Landung zu machen.
    Jedes einzelne Haar stand ab und strahlte. Selbst die Haut erweckte den Eindruck, als wolle sie sich von ihm lösen. Die Augen rollten horizontal, und wenn er den Mund öffnete, stoben winzige Funken von den Zähnen auf. Wo seine Füße den Boden berührten, schmolz festes Gestein. An einigen Stellen wuchsen dem Granit mißtrauisch horchende Ohren; hier und dort verwandelten sich Splitter in kleine, purpurne Schuppenwesen, die sofort flohen.
    »Äh«, begann Nijel unsicher. »Stimmt was nicht?«
    »Nnh«, antwortete Rincewind, und der Laut metamorphierte zu einem großen Pfannkuchen.
»Du siehst irgendwie seltsam aus«, sagte Nijel und offenbarte damit bemerkenswerten Scharfsinn.
»Nnh.«
    »Vielleicht solltest du versuchen, einen Ausgang für uns zu schaffen«, schlug der junge Mann vor und war klug genug, sich zu ducken und die Arme um den Kopf zu schlingen.
    Rincewind nickte wie eine Marionette und richtete seinen aufgeladenen Zeigefinger zur Decke. Sie schmolz wie Eis im Feuer eines Schweißbrenners.
    Noch immer erbebte alles, und beunruhigende Vibrationen erfaßten den ganzen Palast. Es ist allgemein bekannt, daß es Frequenzen gibt, die Panik erzeugen, und Frequenzen, die peinliche Blasenschwäche bewirken, doch von dem zitternden Fels gingen Schwingungen aus, die im Gefüge der Realität Entsetzen sprießen ließen. Die Wirklichkeit bekam es mit der Angst zu tun und hastete davon.
    Nijel beobachtete das Tröpfeln von der Decke, streckte die Hand aus probierte die weiche Masse.
»Schmeckt wie Vanillesoße«, sagte er und fügte hinzu: »Ich nehme an, eine Treppe ist nicht möglich, oder?«
    Erneut leckten oktarine Flammen aus den von Magie heimgesuchten Fingern Rincewinds, und sie kondensierten zu einer fast perfekten Rolltreppe. Allerdings gab es im Rest des Multiversums keine zweite solche Treppe, die mit Krokodilhaut ausgelegt war.
    Nijel griff nach den Schultern des schwankenden Zauberers und sprang auf eine Stufe.
Glücklicherweise erreichten sie das Ende der Treppe, bevor sich die Magie schlagartig auflöste.
    Ein großer weißer Turm wuchs aus dem Zentrum des Palastes, durchstieß die Dächer ebenso mühelos wie ein Pilz hartes Straßenpflaster. Schon nach kurzer Zeit überragte er alle anderen Gebäude in Al Khali.
    Unten schwangen breite Doppeltüren auf, und Dutzende von Zauberern traten heraus, stolzierten so selbstbewußt umher, als gehöre ihnen die ganze Stadt. Rincewind glaubte, einige Gesichter wiederzuerkennen. Sie gehörten Männern, die bei magischen Vorlesungen einschliefen, gemütlich durch den Garten der Unsichtbaren Universität schlenderten und sich aufs nächste Gelage freuten. Es waren keine Mienen, die sich dafür eigneten, böse Boshaftigkeit zum Ausdruck zu bringen; normalerweise zeichneten sie sich durch einen auffälligen Mangel an hinterhältiger Heimtücke aus. Doch inzwischen hatten sie sich auf eine Art und Weise verändert, die vorsichtigen Gemütern Vorsicht gebot.
    Nijel wurde hinter eine nahe Mauer zurückgerissen. Verwirrt blickte er in Rincewinds besorgte Augen.
    »He, das ist Magie!«
    »Ich weiß«, sagte Rincewind. »Sie erscheint mir… falsch!«
Nijel beobachtete den funkelnden Turm.
»Aber…«
    »Sie fühlt sich falsch an«, betonte Rincewind und fügte hinzu: »Verlang jetzt bloß keine Erklärung von mir.«
    Einige Wächter des Serif liefen durch einen nahen Torbogen und stürmten den Zauberern entgegen. Sie gaben keinen einzigen Laut von sich, und dadurch wirkte ihr Angriff geradezu gespenstisch. Einige Sekunden lang blitzten ihre Schwerter im hellen Sonnenschein. Dann drehten sich zwei Magier um, streckten die Hände aus und…
    Nijel schauderte und wandte sich um.
»Grgh«, sagte er.
Stählerne Klingen fielen aufs Kopfsteinpflaster.
    »Ich glaube, wir sollten klammheimlich von hier verschwinden«, flüsterte Rincewind.
»Hast du gesehen, in was sich die Soldaten verwandelten?«
    »In Leichen«, entgegnete Rincewind. »Das genügt mir. Ich möchte nicht darüber nachdenken.«
    Nijel zweifelte kaum daran, daß er bis an den Rest seines Lebens daran denken würde, besonders in dunklen, stürmischen

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