Der Zauberhut
Jahrzehnten. Seit Äpocken. Nun, ich bekam nur selten Gelegenheit, mich draußen umzusehen. Eigentlich nie.« Seine Augen trübten sich, als er in Gedanken mit einem neuen poetischen Kunstwerk begann. »Der Vogel der Zeit hat nur noch einen, hm, kurzen Weg zu gehen, und siehe! Er steht schon auf den Beinen…«
»Zeitvögel, Bökke und sprechende Hüte«, ächzte Rincewind leise. Krösus schwankte vor ihm. »Weißt du, Abrim kümmert sich um die Regierungsgeschäfte. Soll ziemlich anstrengende Arbeit sein.«
»Derzeit vernachlässigt er seine Pflichten«, sagte Rincewind. »Und wir möchten fort von hier, wenn du nichts dagegen hast«, fügte Conina hinzu. Sie dachte noch immer an den Ziegen-Vergleich. »Außerdem muß ich lernen, wie ein Bokk zu sein«, murmelte Nijel und warf Rincewind einen finsteren Blick zu.
Krösus klopfte ihm auf die Schulter. »Gut so. Manchmal sind Tiere menschlicher als Menschen. Häufig kann man sich ein Beispiel an ihnen nehmen.«
Rincewind seufzte lautlos. Die letzten Worte des Serifs deuteten darauf hin, daß er den Begriff ›Bökke‹ tatsächlich in einem Bestiarium gelesen hatte, während Nijel ihn nach wie vor für eine Leistungsverpflichtung hielt. Vielleicht schloß das eine das andere nicht aus.
»Wenn du dich zufällig daran erinnerst, ob dir einige Pferdeställe gehören…«, sagte er.
»Hunderte«, erwiderte Krösus sofort. »Mir gehören einige der besten und schnellsten Rösser auf der ganzen Scheibenwelt.« Er runzelte die Stirn. »So heißt es jedenfalls.«
»Aber weißt du auch, wo sie untergebracht sind?«
»Leider nicht«, sagte der Serif niedergeschlagen. Das thaumaturgische Prickeln von Zufallsmagie verwandelte eine nahe Mauer in Arsenmeringe.
»Ich hätte in der Schlangengrube bleiben sollen«, brummte Rincewind und wandte sich ab.
Einmal mehr starrte Krösus kummervoll auf die leere Weinflasche.
»Ich weiß, wo ein fliegender Teppich liegt«, bot er sich an.
»Nein.« Rincewind gestikulierte fahrig. »Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich…«
»Er gehörte meinem Großvater.«
»Kann er wirklich fliegen?« fragte Nijel.
»Wer? Mein Großvater?«
»Habt Mitleid mit mir«, wimmerte Rincewind. »Mir wird schon schwindelig, wenn mir jemand eine mehr als zwei Meter hohe Brücke beschreibt.«
»Nein, der Teppich«, sagte Nijel.
»O ja, natürlich.« Der Serif rülpste leise. »Wenn ich mich recht entsinne… Er hatte ein hübsches Webmuster.« Krösus betrachtete die Flasche und schien mit dem Gedanken zu spielen, sie auszuwringen. »Ein strahlendes Blau, glaube ich.«
»Hast du eine vage Ahnung, wo er liegt?« fragte Conina langsam und vorsichtig. Offenbar wollte sie vermeiden, das Gedächtnis des dicken Mannes zu erschrecken.
»Oh, in der Schatzkammer. Den Weg dorthin kenne ich. Ich bin ungeheuer reich, wißt ihr. So heißt es jedenfalls.« Er senkte die Stimme, sah Conina an und versuchte zu zwinkern. Es gelang ihm schließlich mit beiden Augen. »Wir könnten darauf Platz nehmen«, fuhr er fort, und plötzlich perlte Schweiß auf seiner breiten Stirn. »Und vielleicht bist du dann so nett, mir eine Geschichte zu erzählen…«
Rincewind biß die Zähne zusammen, um nicht laut zu schreien. Er spürte schon, wie ihm die Knie weich wurden.
»Ich bin nicht bereit, mich auf einen fliegenden Teppich zu setzen!« brachte er entsetzt hervor. »Ich fürchte mich vor dem Boden!«
»Du meinst, du hast Höhenangst«, verbesserte Conina. »Hör endlich auf, dich wie ein Narr zu benehmen.«
»Ich weiß genau, was ich meine! Wenn man vom Himmel fällt, prallt man nicht etwa an die Höhen, sondern auf den Boden!«
D ie magische Schlacht von Al Khali fand in einer dichten, hammerförmigen Wolke statt, in der man unheimliche Gestalten hörte und gespenstische Geräusche sah. Gelegentlich verfehlten thaumaturgische Angriffe das Ziel, und wo sich die okkulte Energie entlud, bewirkte sie Veränderungen.
Ein großer Teil des Holterdipolter Viertels hatte sich in einen undurchdringlichen Wald aus gewaltigen, gelben Pilzen verwandelt. Niemand wußte, welche Folgen sich daraus für die Bewohner ergaben; wahrscheinlich merkten sie überhaupt nichts davon.
Der Tempel des Krokodilgottes Offler, der als erste heilige Autorität in Al Khali galt, bot sich als ein häßliches Ding aus Zucker dar, das sich in fünf Dimensionen erstreckte. Allerdings führte das kaum zu Problemen, denn eine Schar Riesenameisen verspeiste die weiße Masse mit sichtlichem Genuß.
Nur
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