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Der Zauberspiegel

Der Zauberspiegel

Titel: Der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Carver
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einen Spaziergang.« Er wälzte sich aus dem Bett und schlüpfte in seine Hose, ehe er sein Hemd überzog. Kalira schien nicht einmal zu bemerken, wie unangebracht ihr Benehmen war. Achselzuckend stopfte er sein Hemd in den Hosenbund und stieg in die Stiefel.
    »Seit gestern Abend hat sie niemand mehr gesehen und ihr Pferd ist verschwunden«, zeterte Kalira weiter. Sie spielte nervös mit ihrem glänzenden, roten Zopf. Nun war ihr Arans Aufmerksamkeit sicher. Unsicherheit wollte in ihm hochsteigen. Er unterdrückte die Emotion erfolgreich.
    »Verdammt«, fluchte er. »Ich reite los und suche sie.« Er legte seine Waffen an und ging zur Tür.
    »Ich begleite dich.« Kalira folgte ihm und prallte gegen seinen Rücken, als er im Türrahmen stehen blieb.
    Aran drehte sich um und fixierte sie streng. »Nein, du bleibst hier, falls Juliane zurückkommt.«
    »Weißt du, wo du sie suchen musst?«
    »Nein«, gab er zu. Er behielt für sich, dass er durchaus in der Lage war, Fährten zu lesen. Außerdem hoffte er, dass seine besondere Verbindung zu ihr ihn leiten konnte. Seine Fähigkeiten gingen weder Kalira noch sonst jemanden etwas an.
     
    *
     
    Zielstrebig hatte Juliane ihr Pferd die ganze Nacht durch die Wildnis gelenkt. Die geheimnisvolle Stimme war längst verstummt, dennoch wusste sie mit schlafwandlerischer Sicherheit, welchen Weg sie einschlagen musste.
    Bei Sonnenaufgang stand sie schließlich vor einer Felswand. Sie band Staubwolke an einem Baum fest und schob die Äste, die einen Höhleneingang verdeckten, beiseite, wie die Stimme es ihr befahl.
    Betritt die Höhle! Komm zu mir!
    Teils hörte Juliane sie tatsächlich, dann schallten die Worte wieder in ihrem Kopf. Modrige, kühle Luft schlug ihr entgegen, als sie in den Gang trat. Einen Moment blieb sie stehen, gab ihren Augen die Gelegenheit, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Dann lief sie vorsichtig den langen, schmalen Tunnel entlang.
    Irgendwo plätscherte Wasser. Der Untergrund schmatzte stellenweise, um sich dann wieder hart und glatt unter ihren Schuhsohlen anzufühlen. In ihre Nase stieg der Geruch von Morast und Fäulnis.
    »Wo bist du?«, fragte sie in den düsteren Tunnel hinein. Wenn sie nur wüsste, wer sie da rief.
    »Bist du, bist du«, hallte das Echo. Die Stimme schwieg.
    Juliane fror, doch schon ein paar Meter weiter wurde die Luft so heiß und feucht, dass ihr augenblicklich der Schweiß ausbrach.
    Der Tunnel endete ohne Vorwarnung und vor ihr tat sich ein riesiger Abgrund auf, in dessen Tiefen flüssiges Gestein kochte und brodelte. Der einzige Weg über die Schlucht schien ein glitschiger Baumstamm zu sein. Verwirrt blickte sie sich um, doch links und rechts erhoben sich Felswände. Es gab nur diese Möglichkeit auf die andere Seite zu gelangen.
    »Du willst doch nicht etwa, dass ich diesen Graben überquere?«, rief sie. Das Herz schlug ihr gegen den Kehlkopf.
    Erneut keine Antwort.
    Zitternd stieß Juliane Luft aus und rieb sich die Hände. Zweifelnd beäugte sie den Baum und starrte in die Tiefe, während sie spürte, wie ihr Puls sich weiter beschleunigte. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und hatte den salzigen Geschmack ihres Schweißes im Mund. Kopfschüttelnd sank sie auf Knie und Hände und kroch über den Stamm. Sie vermied es, nach unten zu blicken. Ihr Herz hämmerte so wild in ihrer Brust, dass sie das Vibrieren bis in die Fingerspitzen und die Zehen fühlte. Ein heißer Windhauch wehte aus den Tiefen empor und raubte ihr einen Moment den Atem.
    »Vor ein paar Monaten war ich noch ein ganz normaler Teenie, und jetzt steck ich im größten Schlamassel der Weltgeschichte.« Der Stamm ächzte und knirschte beunruhigend unter ihrem Gewicht. Brandgeruch stieg ihr in die Nase und ein leises Knistern und Schmatzen von Feuerzungen drang aus den Tiefen empor.
    Angst trieb ihr den Schweiß aus sämtlichen Poren, bis sie die andere Seite der Schlucht erreicht hatte. Dort blieb sie eine Weile keuchend und zitternd liegen, bevor sie ihren Weg fortsetzte. Während sie in dem Gewirr von Gängen entlanghastete, kam ihr ein weiterer, beängstigender Gedanke. Was geschähe, wenn sie sich in diesem Labyrinth von Gängen verirrte?
    Sie schob den Gedanken beiseite. Ihre Intuition verriet ihr, dass die Stimme ihr nichts Böses wollte und sie sicher an ihr Ziel führen würde, wo auch immer dieses lag.
     
    *
     
    Die Sonne strahlte vom Himmel herab, als Aran sein verschwitztes Pferd bei Julianes Grauschimmel stehen ließ, und ihren

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