Der Zauberspiegel
sich nach seinem Hemd und zog es über. Juliane beobachtete fasziniert das Spiel seiner Muskeln. Zum ersten Mal sah sie die Narben an seiner Schulter und unterhalb des Rippenbogens.
Schweigend liefen sie durch das Dorf, bis sie am Bach ankamen. Aran wandte sich ihr zu. Der Bach plätscherte und gurgelte fröhlich vor sich hin.
»Du kannst ausgezeichnet mit dem Schwert umgehen und ich habe mir überlegt, ob du mir nicht ein wenig beibringen könntest?«
Aran musterte sie nachdenklich. Er wirkte hin- und hergerissen. »Die Kampfkunst kann dich in seelische Abgründe führen, die du nicht zu kennen begehrst«, begann er. Sein Blick durchbohrte sie.
Juliane biss sich auf die Lippen. Er vermittelte ihr das Gefühl, dass es etwas Schlechtes war, kämpfen zu können. Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Er glaubte, ihr seine dunkle Seite zu zeigen, wenn er kämpfte und er fürchtete, sie dorthin hinabzuziehen. Fast hätte sie über diesen abwegigen Gedankengang gelacht. »Es ist nicht die Waffe, die böse ist, sondern der Mensch, der die Waffe benutzt«, erwiderte sie.
Aran zögerte noch immer und sie wagte es, seinen Arm zu berühren. Sofort schoss ein wohliges Kribbeln durch ihre Hand. Sie atmete tief ein und zwang sich, nicht zu zeigen, was diese schlichte Berührung in ihr auslöste. Sie wusste, dass es Aran sofort in die Flucht geschlagen hätte, würde er ahnen, dass sie die rätselhafte Verbindung zwischen ihnen so deutlich wahrnahm.
»Wenn du es wirklich willst«, stimmte er zu.
Juliane nickte zufrieden. Es lief wie am Schnürchen. Sie würde die Unterweisungen genießen – ganz nah bei ihm.
Juliane wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
»Weiter«, drängte Aran. »Dein Gegner nimmt keine Rücksicht auf Erschöpfung oder Müdigkeit. Im Gegenteil, ein Feind nutzt jede deiner Schwächen aus.«
»Du bist ein strenger Lehrmeister. Schonungsloser als Brack, obwohl ich dachte, er wäre nicht zu überbieten«, keuchte sie.
»Brack?«, fragte Aran offenbar interessiert. »Hat er dich das Kämpfen gelehrt?«
Juliane nickte und senkte das Schwert.
»Nein, nicht aufhören«, befahl er und stellte sich hinter sie. Er umgriff ihre Hände und korrigierte ihre Bewegungen. »Erzähl mir von Brack.«
Sie schluckte, als sie seinen Körper so eng an ihrem fühlte. Ihre Haut saugte seine Wärme förmlich auf und verwandelte sie in kribblige Erregung. Sie räusperte sich nervös und hatte Mühe, sich auf ihre Übungen zu konzentrieren. Dennoch wagte sie es, sich enger an ihn zu lehnen, so, als wäre das nötig. »Er unterrichtet die Rebellen im Schwertkampf.«
»Wie bist du zu ihnen gekommen?«, wollte Aran wissen. Er ließ sie los und trat neben sie. Enttäuscht, weil er sie nicht mehr umarmte, wandte sie sich ihm zu.
Offensichtlich wusste er nichts von der Prophezeiung, die sie zur Auserwählten machte. Im Moment befriedigte sie der Verlauf der Dinge nicht sonderlich. Sie nahm die Quälerei mit der Absicht in Kauf, mehr über ihn zu erfahren, bei ihm zu sein. Stattdessen erzählte sie ihm alles, was er über sie zu wissen begehrte. »Weißt du nichts über die Prophezeiung der Zauberin Moira?«
Aran schüttelte den Kopf. »Mach weiter, während du mir davon erzählst.«
Juliane hob das Schwert. »Moira weissagte, eines Tages käme ein Mädchen mit Zadieyeks Geist nach Goryydon.«
Aran setzte die Übungen unbeeindruckt fort und Juliane tat es ihm gleich.
»Ich bin diese Auserwählte.«
Aran hielt in der Bewegung inne und starrte sie an. Er senkte seine Waffe und stützte sich auf den Knauf. »Erzähl mir mehr über dich.«
Sie legte ihr Schwert beiseite und setzte sich auf den Boden. Sie deutete Aran, es ihr gleich zu tun und wartete, bis er saß. »Treffen wir eine Abmachung. Ich erzähle dir von mir und erfahre dafür alles über dich.«
Sofort verdüsterte sich Arans Miene. Sie hielt seinem Blick stand und legte so viel Wärme in die Erwiderung, wie sie konnte. Vertrau mir! Vertrau mir! , dachte sie angestrengt. Sie wollte nicht zulassen, dass Aran sich wieder zurückzog. Sie fürchtete, wenn das geschah, gelänge es ihr niemals mehr, die Mauern zu durchbrechen, die er um sich errichtet hatte.
Sie sandte all das Vertrauen, das sie ihm entgegenbrachte, in Gedanken zu ihm und versuchte, ihn spüren zu lassen, wie sehr sie ihn schätzte. Sein Widerstand schien dahinzuschmelzen wie Wachs in der Sonne.
»Weshalb ist es dir so wichtig, alles über mich zu erfahren?«, flüsterte er
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