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Der Zauberstein von Brisingamen

Der Zauberstein von Brisingamen

Titel: Der Zauberstein von Brisingamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Garner
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noch.
    Überdies machte er das Gehen zu einer heiklen, mühseligen Arbeit, und die Luft war immer noch nicht gut; zehn Minuten unter diesen Bedingungen zehrten an ihrer Kraft, wie es sonst eine Stunde normalen Wanderns getan hätte.
    Tunnel mündeten und verließen die Höhlen in jeder beliebigen Richtung und auf jeder Höhe. Sie wanden und schlängelten sich, verzweigten und gabelten sich, stiegen und fielen und führten häufig ins Nichts. Sie endeten irgendwo in einer Höhle zwischen Decke und Boden, auf Schwindel erregenden Gesimsen, die wiederum aufs Geratewohl einen Standplatz boten oder auch nicht. Und die quadratischen Schachteingänge bildeten eine ständige Gefahr. Durch manche konnte man entfernt den Boden eines tiefer gelegenen Stollens sehen, während andere in unergründliche Tiefen führten. In Panik durfte man hier nicht geraten. Jeder Ecke, jeder Biegung, jeder Öffnung musste man sich mit äußerster Vorsicht nähern, um keine unerfreuliche Überraschung zu erleben. Am schlimmsten waren die Höhlen: Nachdem sie etwa ein halbes Dutzend durchquert und in all die Öffnungen gespäht hatten, die sie von überall her blind anstarrten, verlegten Colin und Susan sich darauf, einfach auf derselben Ebene weiterzulaufen und in den erstbesten Tunnel hineinzugehen, der sich ihnen bot, im blinden Vertrauen darauf, dass eben dieser nicht bewohnt sei. In den Tunneln waren sie eng von Wänden und Decken umgeben, die Lampen trotzten den Schatten, in den Höhlen aber kamen sich die Kinder völlig verloren vor, denn ihr schwaches Licht betonte nur ihre Bedeutungslosigkeit, und das Gefühl, unsichtbaren Augen ausgesetzt zu sein, wurde immer stärker. Irgendwo in diesem Labyrinth machte jemand Jagd auf sie, und Colin und Susan waren sich dessen nie stärker bewusst als dann, wenn sie in einem der erhabenen Felsendome ins Freie gelangten und sich durch den albtraumhaften Sand kämpfen mussten.
    Welche Strecke sie zurücklegten und wie lange es dauerte, bis sie eine Ruhepause einlegen mussten, war unmöglich zu beurteilen: Zeit und Raum sind unter der Erde außer Kraft.
    Aber schließlich konnten sie nicht mehr weiter, und als sie zufällig auf einen Tunnel mit teilweise blockiertem Eingang stießen, krochen sie hinein und legten sich ausgestreckt auf den Boden. Hitze und Durst hatten sie erschöpft; ungeduldig durchstöberten sie Colins Rucksack nach der Limonade. Dann war minutenlang nichts als Schlucken, Keuchen und befriedigtes Seufzen in dem Tunnel zu hören.
    «Wir sollten besser was für später aufsparen», sagte Colin.
    «Na gut. Aber ich könnte ein Meer austrinken!»
    Sie entspannten ihre schmerzenden Glieder und sprachen flüsternd. Doch zuerst knipsten sie die Lampen aus; sie mussten ihre Schwierigkeiten ja nicht unbedingt dadurch vermehren, dass sie den Moment, da die Batterien erschöpft waren, noch schneller herankommen ließen.
    «Hör zu», sagte Colin, «das Wichtigste ist jetzt erst mal, dass wir einen Weg hier herausfinden, ohne geschnappt zu werden.
    Ich schätze, es ist ziemlich klar, wo wir sind: nämlich in den Kupferminen. Und wenn das stimmt, dann gibt es hier etliche Ausgänge. Nur, wie sollen wir die finden?»
    Sie dachten eine Zeit lang schweigend nach. Auf diese Frage schien es keine Antwort zu geben.
    «Es muss doch… Moment mal!», sagte Susan. «Ja! Pass auf: Wenn wir in den Minen sind, muss der Weg nach draußen über uns liegen, oder? Fast alle Eingänge befinden sich oben auf dem Edge.»
    «Ja…»

    «Wenn wir also nun nur den Gängen folgen, die nach oben führen, bewegen wir uns doch automatisch in die richtige Richtung, ja? Ich weiß, die Idee ist nicht besonders gut, aber immer noch besser, als ziellos hier rumzulaufen, bis Grimnir und Selina Place uns gefunden haben.»
    «Ich mach mir nicht nur wegen dieser beiden Sorgen», sagte Colin. «Hast du bemerkt, wie aufgewühlt der Sand überall ist?
    Genaue Eindrücke kann man zwar nicht erkennen, dafür ist er zu weich, aber immerhin zeigt das, dass diese Minen nicht so unbewohnt sind, wie sie aussehen. Und bedenke, was Cadellin gesagt hat: dass wir sie wegen der Svarts um jeden Preis meiden sollen.»
    Das hatte Susan nicht bedacht. Doch diese zusätzliche Gefahr änderte nichts an ihrem Grundproblem, und obwohl sie länger darüber diskutierten, fiel ihnen kein besserer Plan ein.
    Jedenfalls brauchte es Mut, die Lampen wieder anzuknipsen und den sicheren Zufluchtsort zu verlassen.
    So machten sie sich auf den Weg ins Hoffnungslose.

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