Der Zauderberg
entscheiden sollen, dann nennen die meisten eine Summe zwischen 2000 und 3000 Euro. Vermutlich würden Sie eine ähnliche Summe nennen, es sei denn, Sie nehmen sich die Zeit, veranschlagen einen vernünftigen Zinssatz und rechnen es mit kühlem Kopf durch. Je größer die Summe, die Sie fordern würden, desto impulsiver sind Sie und desto sensibler reagieren Sie auf Verzögerungen. Diese Sensibilität müssen wir noch in unserer Gleichung einbeziehen.
Der letzte Faktor, der noch in unserer Formel fehlt, ist also die Impulsivität. Sie beeinflusst den Faktor Zeit, weil sie dafür sorgt, dass die Auswirkungen der Verzögerung je nach Gemüt zurückhaltender oder heftiger ausfallen. Je impulsiver Sie sind, umso sensibler reagieren Sie auf Verzögerungen und umso unwichtiger ist Ihnen die Zukunft – oder umso mehr Geld verlangen Sie im Spiel Jetzt oder später für Ihre Geduld. Ohne Impulsivität gäbe es keine Aufschieberitis. Wenn wir diesen Faktor mit einbeziehen, erhalten wir folgende Formel: 4a
Erwartung × Wert
Impulsivität × Verzögerung
Das ist die Aufschiebeformel! Sie enthält alle Elemente, die einen Einfluss darauf haben, wann Sie was aufschieben, und sie basiert auf den erwiesenen Erkenntnissen der sozialwissenschaftlichen Motivationsforschung. Die Aufschiebeformel bringt sämtliche Erkenntnisse über das Aufschieben auf den Punkt. Je weiter entfernt eine Deadline für ein Projekt ist, desto größer die Verzögerung und desto geringer unsere Motivation, die Aufgabe anzugehen. Die Impulsivität vervielfacht die Auswirkungen dieser Verzögerung noch, das heißt, je impulsiver Sie sind, umso geringer ist Ihre Motivation – zumindest am Anfang. Sie müssen den Konsequenzen schon direkt ins Auge blicken, ehe Sie reagieren, es sei denn, diese Konsequenzen sind von vornherein groß genug. Aber was sorgt dafür, dass sie groß genug sind? Erwartung und Wert. Je größer die Belohnung und je größer die Wahrscheinlichkeit, sie zu bekommen, desto größer Ihre Motivation.
Die Aufschiebeformel erklärt auch einen der fatalsten Aspekte des Aufschiebens: den Unterschied zwischen Absicht und Handlung, also die Kluft zwischen dem, was wir uns vornehmen, und dem, was wir tatsächlich tun. Untersuchungen zeigen, dass sich Aufschieber genauso vornehmen, sich an die Arbeit zu machen, wie ihre fleißigeren Kollegen. Der kleine Unterschied liegt in der Umsetzung. Aufschieber haben die ehrliche Absicht, am Wochenende oder nächste Woche mit der Arbeit zu beginnen, doch wenn der Moment der Wahrheit gekommen ist, scheint die Aufgabe plötzlich nicht mehr so wichtig. Statt die Ärmel hochzukrempeln, haben sie die gute Absicht vergessen. Viele Aufschieber jammern: »Was ich auch versuche, ich schiebe einfach immer alles auf!« Genau das ist der Unterschied zwischen Absicht und Handlung: Sie nehmen sich fest vor, sich morgen dranzusetzen, aber wenn aus morgen heute geworden ist, können Sie sich dann doch wieder nicht aufraffen. Genau das sieht die Aufschiebeformel vorher.
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor. In zwei Wochen haben Sie eine einfache Wahl: Sie können abends lange am Schreibtisch sitzen bleiben und den Budgetplan für Ihre Abteilung fertigstellen, der am nächsten Tag fällig ist, oder Sie können mit Ihren Freunden ein Bier trinken gehen. In diesem Moment erscheint es Ihnen sehr viel wichtiger, an dem Budgetplan zu arbeiten, als Ihre Freunde zu treffen, denn Ersteres könnte Ihnen irgendwann eine Lohnerhöhung bescheren, und Letzteres ist nicht mehr als ein geselliger Abend. Sie nehmen sich also jetzt vor, an diesem Abend in zwei Wochen am Budgetplan zu basteln. Aber werden Sie sich auch an diesen Vorsatz halten?
Spulen wir jetzt zwei Wochen vor zu dem Abend, an dem Sie Ihre Absicht umsetzen müssen. Plötzlich wird das Abstrakte konkret. Es sind nicht irgendwelche Freunde, sondern Eddie, Valerie und Tom. Die drei sind Ihre besten Freunde und bombardieren Sie vom Tresen aus mit SMS. Eddie ist ein witziger Kerl, Tom schuldet Ihnen noch ein Bier, und Sie haben Valerie versprochen, ihr ein Glas Wein auszugeben. Vielleicht können Sie ja ein paar Ideen mit den dreien diskutieren. Außerdem haben Sie sich eine Pause verdient, weil Sie so hart gearbeitet haben. Also geben Sie nach. Aber kaum sitzen Sie bei Ihren Freunden am Tresen, ist an eine Rückkehr an den Schreibtisch nicht mehr zu denken. Also nehmen Sie sich vor, sich morgen in aller Frühe an die Arbeit zu machen. Das ist sowieso besser, weil Sie
Weitere Kostenlose Bücher