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Der zehnte Richter

Der zehnte Richter

Titel: Der zehnte Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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wir sie beilegen sollen. Sonst noch etwas?«
    »Nein, ich glaube, das war's. Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Ben legte auf und sah Lisa an, die ihm gegenübersaß. »Glaubst du wirklich, daß du mit den Rechnungen was anfangen kannst?« fragte sie.
    »Eigentlich nicht«, sagte Ben. »Ich glaube nicht, daß Rick so dumm war, über eine nachprüfbare Nummer wichtige Telefonate zu führen. Vermutlich war er dauernd unterwegs und hat die meisten seiner Geschäfte über ein Handy abgewickelt. Die Washingtoner Nummer war wahrscheinlich nur für mich.«
    »Es war trotzdem clever, ein Postfach zu besorgen«, sagte Lisa, um ihn aufzumuntern.
    »Mag sein. Wenn jemand das Telefon überwacht, weiß man sowieso schon, daß ich in der Sache drin stecke.«
    »Das weißt du ja gar nicht.« Lisa sah auf ihre Uhr. »Es ist bald zehn. Wir sollten jetzt wohl rübergehen.«
    »Ich hab' keine Lust«, sagte Ben gereizt.
    »Bist du noch ganz bei Trost?« fragte sie. »Sie verkünden das Urteil zur CMI-Fusion. Willst du nicht sehen, wie die Meute reagiert?«
    Ben schwieg.
    »Egal, du kommst mit.« Lisa packte seine Hand. »Schließlich sollen wir bei allen Urteilsverkündungen anwesend sein.«
    Obwohl die Richter Anfang September ihren Urlaub beendeten und die Sitzungsperiode des Winterhalbjahrs am ersten Montag im Oktober begann, wurde es Anfang November, bis die ersten Entscheidungen verkündet wurden und die Betriebsamkeit am Gerichtshof ihren Höhepunkt erreichte. Mündliche Anhörungen fanden zwar die ganze Woche statt, doch der Termin für Urteilsverkündungen war Punkt zehn Uhr am Montagmorgen. Diese Sitzungen waren öffentlich und immer bis zum letzten Platz mit Touristen, Reportern und Freunden des Gerichts gefüllt. An einem typischen Montag begannen sich die Neugierigen um acht Uhr morgens vor dem Gebäude anzustellen, bei wichtigeren Urteilen bildete sich die Schlange schon um sechs. Als es 1989 in der Sache Webster um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gegangen war, hatten findige Kleinunternehmer festgestellt, daß Touristen wie Reporter eine Menge Geld dafür zahlten, wenn jemand anderer für sie Schlange stand. Als Folge war ein inoffizieller Erwerbszweig entstanden, der alle wichtigen Medienereignisse im Regierungsviertel bediente. Für die öffentliche Verkündigung des Votums zur CMI-Fusion hatten die professionellen Ersatzleute fast einen ganzen Tag vorher ihre Posten bezogen.
    Gegen neun Uhr morgens wurde die ungeduldige Menge endlich in das Gebäude geleitet. Während die Besucher durch die Große Halle und zwei verschiedene Metalldetektoren gelotst wurden, gingen Ben und Lisa direkt zum größten Gerichtssaal. »Ist doch phantastisch«, sagte Lisa mit einem Blick auf die Touristenschlange, die allmählich im Saal untergebracht wurde.
    Ben war wenig begeistert davon, Charles Maxwells Sieg beizuwohnen, doch auch er konnte sich der erregten Atmosphäre des Sitzungstags nicht verschließen. Reporter drängten sich auf die winzige Pressetribüne an der linken Seite des Saales. Es war der einzige Bereich, in dem die Beobachter sich Notizen machen durften; Tonbänder waren allerdings auch hier nicht zugelassen. Bewaffnete Wachen führten die Touristen und andere Beobachter zu den zwölf Bankreihen in der Mitte des Raumes, und dann warteten alle gespannt auf den Auftritt der Richter. Das unterdrückte Flüstern der Zuschauer heizte die Atmosphäre weiter auf. Auf der rechten Seite des Gerichtssaals war ein Bereich für die Familienmitglieder und Freunde der Richter reserviert, ein weiterer für die Assistenten des Gerichtshofs.
    »Nichts als Schafe«, sagte Ben mit einem Blick auf den bis auf den letzten Platz gefüllten Saal. »Sie kommen bloß, um dem Spektakel beizuwohnen und wieder zu verschwinden. Die Konsequenzen sind ihnen egal. Für sie ist es bloß eine Touristenattraktion.«
    »Vergiß doch mal deine schlechte Laune«, sagte Lisa. Noch immer von Pomp und Dramatik der Inszenierung in den Bann geschlagen, sah sie die Zeiger der Uhr weiter auf zehn vorrücken.
    Ben heftete seinen Blick auf den Marmorfries über dem Haupteingang, dem die Richter gegenübersaßen. Es stellte die Mächte des Bösen dar - Bestechlichkeit und Falschheit -, besiegt von den Mächten des Guten: Sicherheit, Barmherzigkeit und Frieden, dazu Justitia, flankiert von Weisheit und Wahrheit.
    Lisa, die Bens Blick gefolgt war, fragte: »Na, ahmt die Kunst das Leben nach?«
    »Sehr lustig«, fuhr Ben sie an. Um exakt drei Minuten vor zehn rief ein

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