Der zehnte Richter
genießen. Schließlich kommt Lisa mit, und ich weigere mich entschieden, sie das ganze Wochenende über zu verdächtigen.«
»Vielleicht solltest du sie dann besser gar nicht erst mitnehmen«, gab Nathan zu bedenken.
»Schlag dir das aus dem Kopf. Sie hat ihr Ticket, und sie kommt mit. Ende der Diskussion.«
»Es ist ja dein Leben«, erwiderte Nathan.
ZEHNTES KAPITEL
Grinnell ist entschieden«, verkündete Ben, der mit einem Stapel Bücher ins Büro kam.
»Woher willst du das wissen?« Lisa sah von ihren Unterlagen auf. »Die Sitzung ist doch noch nicht beendet.«
»Ist sie schon.« Ben ließ die Bücher auf Lisas Schreibtisch fallen. »Osterman hat gerade seine Assistenten angerufen, um ihnen mitzuteilen, daß sie das Mehrheitsvotum schreiben werden. Veidt ist am Ende doch zu den Kräften des Bösen übergelaufen. «
»Wer sagt das?«
»Ich hab' gerade einen von Blakes Mitarbeitern im Aufzug getroffen. Sein hämisches Grinsen war unübersehbar. Mieser Denkmalschutzgeier ...«
»Das ist ja nicht zu fassen.« Lisa griff nach ihrem Telefon. »Wo ist Hollis? Warum hat uns niemand was gesagt?«
»Ich glaube nicht, daß jetzt ein guter Moment ist, ihn anzurufen. Er ist wahrscheinlich sauer.«
»Ist es sicher, daß wir das Sondervotum schreiben?« Lisa legte den Hörer wieder auf.
»Ich nehme an. Sicher bin ich natürlich nicht.«
»Warum ärgerst du dich eigentlich so?« fragte Lisa. »Ich dachte, du bist auch dafür, es als Enteignung zu beurteilen?«
»Bin ich auch«, sagte Ben. »Es paßt mir bloß nicht, die Vampire gewinnen zu sehen. Hier hat man einfach mit gezinkten Karten gespielt.«
»Weißt du, wie das Ergebnis ausgefallen ist?«
»Fünf gegen vier. Offenbar hat Osterman Veidt davon überzeugt, daß Grinnell und seine Partner einen unzumutbaren Nachteil erleiden würden, wenn die New Yorker die Kirche mit Hilfe des neuen Bebauungsplans schützen dürften.«
»Also basiert Ostermans Argumentation auf Unzumutbarkeit? Bist du sicher, daß es nicht um die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans geht?«
Ben schüttelte den Kopf. »Wenn sie den Bebauungsplan direkt attackiert hätten, wären nie die nötigen Stimmen zusammengekommen. Blakes Mitarbeiter hat erzählt, daß sie Veidt nur so auf ihre Seite ziehen konnten. In Ostermans Begründung wird also stehen, daß die gesamte Stadt von der Existenz historischer Bauten profitiert. Die Erhaltung dieser Bauten sei deshalb eine Bürde, die von der Stadt und nicht von Einzelpersonen getragen werden müßte.«
»Das heißt, wenn die New Yorker Stadtverwaltung die Kirche schützen will, muß sie Grinnell und Co den vormaligen Wert des Grundstücks bezahlen.«
»Genau«, sagte Ben. »Grinnell hat sich gerade eine goldene Nase verdient, ohne etwas davon zu wissen. Er wird den gesamten Profit eines Einkaufszentrums einstecken, das er nie bauen muß. Das sollte der Stadt eine Lehre sein, sich zukünftig nicht mehr in Privatangelegenheiten einzumischen.«
»Wie kannst du so was nur für richtig halten? Grinnell hat die Sache doch ganz offensichtlich so geplant. Bestimmt hat er schon beim Kauf des Anwesens einen Verfassungsanwalt herangezogen. Er wußte, daß die Stadt rebellieren würde, wenn er den Abriß einer Kirche ankündigt, um dafür ein Einkaufszentrum hinzuklotzen. Und je mehr er seine Pläne aufblies, desto mehr konnte er abkassieren, wenn der Gerichtshof sich auf seine Seite stellte.«
»Jetzt mach aber mal Pause«, sagte Ben. »Der Fall hat drei Jahre gebraucht, bis er hier angekommen ist. Du glaubst doch nicht wirklich, daß der ganze Vorgang eine reine juristische Spekulation war?«
»Ich glaube nicht, daß es nur darum ging, aber daß Howard Grinnell ein Arschloch ist, wirst du mir nicht nehmen. Du hast ja seine Akte gelesen - er ist ein eiskalter, gieriger Immobilienhai, der schon bei der Geburt 'nen Silberstab im Hintern stecken hatte.«
»Das stand in den Akten? Das hab' ich aber nie gesehen.«
»Du weißt schon, was ich meine. Ich kann es einfach nicht begreifen, daß Veidt so zu Kreuze gekrochen ist.« Lisa blätterte ihren Notizblock um. »Wir müssen ein wirklich vernichtendes Sondervotum schreiben. Ich will dieses Urteil so stark wie möglich eingrenzen.«
»Mach dir da keine Sorgen. Veidts mangelnder Enthusiasmus wird die Urteilsbegründung auf die besonderen Umstände festlegen. Und wenn wir uns damit beschäftigt haben, wird das Urteil so aussehen, als käme es von einem Verkehrsgericht.« Lisa legte ihren Bleistift auf den Tisch
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