Der zehnte Richter
seine eigene Post aus, bis er schließlich sagte: »Wenigstens kümmert sich Lisa um meine Probleme.«
»Was willst du damit sagen?« fragte Nathan.
»Ganz einfach: Sie hat das gesamte Wochenende damit verbracht, mit mir über diesen ganzen Mist mit Rick zu reden. Was euch betrifft, so habt ihr eure Energie für blöde. Spaße vergeudet.«
»Das ist jetzt aber wirklich unter der Gürtellinie«, protestierte Nathan. »Du weißt, wieviel Zeit wir alle für die Sache geopfert haben. Ober und ich haben unseren Job riskiert, um Rick festzunageln. Und was die Verlobungsanzeige betrifft, so ist uns eben nichts Besseres eingefallen, um dich aufzuheitern. Außerdem hat Lisa sich nur deswegen so ausführlich mit dir unterhalten, um herauszukriegen, was du weißt.«
»Du weißt ja nicht, was du redest.« Ben ging zur Treppe.
»Werd bloß nicht wild und lauf einfach weg. Komm wieder her und stell dich der Sache.«
Ohne auf seinen Freund zu reagieren, ging Ben in sein Zimmer. »Du hättest wissen sollen, daß er in die Defensive geht«, sagte Ober, als Ben verschwunden war.
»Natürlich hab' ich das gewußt«, erwiderte Nathan. »Aber scheiß drauf. Ich sperre bloß die Augen für ihn auf.«
»Ich weiß schon, was du tust. Aber vielleicht hättest du sensibler vorgehen sollen.«
»Ausgerechnet du verlangst von mir, sensibler zu sein?« Nathan lachte.
»Das meine ich ernst. Ben hat wirklich Angst wegen der ganzen Sache.«
»Natürlich hat er Angst. Ich hab's ja schon vor Thanksgiving gesagt - Sex kommt dem rationalen Denken immer in die Quere. Aber es ist an der Zeit, daß Ben aufwacht. Er hat seinen Spaß gehabt, aber jetzt muß er der Realität ins Auge sehen: Wir können Lisa nicht vertrauen.«
Rick sprach in sein Handy, während er am Flughafen auf sein Gepäck wartete. »Na, wie war die Reise?«
»Mußtest du uns unbedingt nach Boston folgen?«
»Natürlich«, antwortete Rick. »Ich mußte ja ein Auge auf mein Goldstück haben.«
»Ich hoffe, daß das Ergebnis dich befriedigt. Du hast ihn total durcheinandergebracht.«
»Die Sache mit seinem Vater hat ihn wirklich durchdrehen lassen, oder?«
»Das ist das Understatement des Jahres. Jetzt weiß er nicht mehr, wem er trauen kann.«
»Hat er dich in Verdacht?« »Ich glaube nicht, aber es ist wesentlich schwieriger geworden, mit ihm umzugehen. Er hat den ganzen Rückflug über kaum etwas gesagt.«
Rick grinste und legte das Handy ans andere Ohr. »Das passiert eben, wenn man merkt, daß man verliert. Man läßt es an den Menschen aus, die einem am nächsten stehen.«
Als Ben in sein Zimmer kam, warf er die Post auf seinen Schreibtisch und ließ sich auf den Stuhl sinken. Es kann doch unmöglich Lisa sein, redete er sich ein, während er mit den Daumen nervös auf die Tischplatte trommelte. Bleib bei den Fakten. Kann sie nach allem, was du über sie weißt, womöglich eine Art Doppelspiel treiben? Nein. Das ist unmöglich. Ganz ausgeschlossen.
Während er die Einzelheiten noch einmal Revue passieren lies, sortierte er den Stapel Umschläge nach drei Kategorien - Rechnungen, Werbung und Privatpost. Anhand eines an Benjamin N. Addison adressierten Zeitschriftenangebots stellte er fest, daß Newsweek seine Daten verkauft hatte. Ein Brief an Benjamin L. Addison wies darauf hin, daß die Legal Times auf leichte Weise etwas Geld verdient hatte. Ben runzelte die Stirn, als er den Namen Benjamin C. Addison las, verärgert, daß auch seine Kreditkartengesellschaft der Versuchung erlegen war, obwohl er es ihr eindeutig untersagt hatte. Ben hatte sich gerade entschlossen, die Firma anzurufen, als ihm der zuoberst liegende Brief auf dem Stapel Privatpost ins Auge fiel. Er griff nach dem weißen Umschlag und stellte erstaunt fest, daß dieser weder Absender noch Briefmarke aufwies und daher auch nicht abgestempelt war.
Ben fuhr mit dem Daumen an der versiegelten Lasche entlang, öffnete den Umschlag und zog den kurzen, mit Maschine geschriebenen Brief heraus. Lieber Ben! Ich hoffe, du hattest ein angenehmes Wochenende. Bestimmt werde ich alles darüber erfahren. Freundliche Grüße, Rick.
Bens Herz schlug merklich schneller, als er die Notiz noch einmal durchlas. Er stieß sich vom Schreibtisch ab, verließ das Zimmer und stürzte die Treppe hinunter. Als er ins Wohnzimmer kam, sah er Nathan den Telefonhörer auflegen. »Wer war das?« fragte er.
»Meine Mutter«, erklärte Nathan. »Ich wollte ihr bloß sagen, daß wir gut nach Hause gekommen sind.«
»Das ist
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