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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Musikinstrumenten erfordert »kreisförmiges Atmen«. Mit dieser Technik sind Menschen in der Lage, Didgeridoo oder Dudelsack zu spielen, ohne zu implodieren oder ins Rohr gezogen zu werden. Mit dem »Schneiden der Zeit« verhielt es sich ähnlich, wobei Zeit die Luft ersetzte und alles viel leiser war. Ein geschickter Mönch konnte eine Sekunde auf die Länge von mehr als einer Stunde dehnen…
    Aber das genügte nicht. Ein Mönch, der die Zeit schnitt, bewegte sich in einer erstarrten Welt. Er musste lernen, mit Hilfe von Echolicht zu sehen, Geistergeräusche zu hören und Zeit in sein unmittelbares Universum sickern zu lassen. Es war nicht schwer, wenn man genug Zuversicht mitbrachte. Die geschnittene Welt konnte fast normal erscheinen, von den Farben einmal abgesehen…
    Es war wie eine Wanderung durch Sonnenuntergänge, obwohl die Sonne hoch oben am Himmel klebte und sich kaum bewegte. Die Welt weiter vorn neigte zum Violetten, und als Lobsang zurücksah, stellte er fest, dass die Welt hinter ihm die Farbe von geronnenem Blut angenommen hatte. Und sie war einsam. Als besonders seltsam empfand Lobsang die Stille. Er hörte einen Laut, in gewisser Weise: ein dumpfes Brutzeln am Rande des Hörbereichs. Das Geräusch ihrer eigenen Schritte klang seltsam hohl und war nicht synchron mit den Bewegungen der Füße.
    Sie erreichten den Rand des Tals, verließen den ewigen Frühling und betraten das Reich des Schnees. Die Kälte bohrte sich in Lobsangs Haut, ganz langsam, wie das Messer eines Sadisten.
    Lu-Tze schien davon überhaupt nichts zu spüren und ging weiter.
    Das entsprach den Geschichten über ihn. Lu-Tze, so hieß es, wanderte selbst dann meilenweit, wenn es so kalt wurde, dass die Wolken am Himmel gefroren und auf die Welt herabfielen. Kälte konnte ihm nichts anhaben, berichteten die Legenden.
    Und doch…
    Diese Geschichten beschrieben einen größeren, stärkeren Lu-Tze, keinen dürren, kahlköpfigen Alten, der es vorzog, nicht zu kämpfen.
    »Kehrer!«
    Lu-Tze blieb stehen und drehte sich um. Die Konturen seiner Gestalt verschwammen ein wenig, und Lobsang wickelte sich von der Zeit ab. Die Farben kehrten in die Welt zurück. Der Frost hatte zwar nicht mehr die Kraft eines Bohrers, aber er war noch immer sehr unangenehm.
    »Ja, Junge?«
    »Du willst mich etwas lehren, nicht wahr?«
    »Wenn es überhaupt noch etwas gibt, das du nicht weißt, Wunderknabe«, erwiderte Lu-Tze trocken. »Du schneidest gut, wie ich sehe.«
    »Es ist mir ein Rätsel, wie du diese Kälte aushältst!«
    »Ah, du kennst das Geheimnis nicht?«
    »Gibt dir der Weg von Frau Kosmopilit solche Macht?«
    Lu-Tze hob den Saum seiner Kutte und tanzte ein wenig im Schnee. Seine dürren Beine steckten in einer langen, dicken und vergilbten Unterhose.
    »Sind ausgezeichnet, diese Dinger«, sagte er. »Frau Kosmopilit schickt mir noch immer ihre besonders sorgfältig gestrickten Kombinationen: Seide an der Innenseite, drei Schichten Wolle, verstärkte Zwickel und die eine oder andere nützliche Klappe. Als alter Kunde bezahle ich nur sechs Ankh-Morpork-Dollar pro Stück. Denn es steht geschrieben: ›Zieh dich warm an, oder du holst dir den Tod.‹«
    »Es ist nur ein Trick ?«
    Lu-Tze wirkte überrascht. »Wie bitte?«, fragte er.
    »Nun, ich meine, es sind alles nur Tricks. Alle halten dich für einen großen Helden, aber du… du kämpfst nicht. Angeblich verfügst du über geheimes Wissen, aber in Wirklichkeit ist alles nur… List. Selbst dem Abt gegenüber… Ich dachte, du würdest mich Dinge lehren, die… es zu wissen lohnt…«
    »Ich habe ihre Adresse, wenn du das meinst. Wenn du meinen Namen nennst… Oh, das meinst du offenbar nicht.«
    »Ich möchte nicht undankbar sein. Ich dachte nur…«
    »Deiner Ansicht nach sollte ich meine Beine mit geheimnisvollen Mächten wärmen, die ich während jahrhundertelanger Studien erworben habe?«
    »Nun…«
    »Du hältst es für angebracht, mit geheimen Lehren die Situation meiner Knie zu verbessern?«
    »Wenn du es so ausdrückst…«
    Etwas veranlasste Lobsang, den Blick zu senken.
    Er stand in fünfzehn Zentimeter tiefem Schnee. Im Gegensatz zu Lu-Tze. Dessen Sandalen befanden sich in zwei Pfützen. Der Schnee schmolz an den Zehen – an rosaroten, warmen Zehen.
    »Die Zehen sind eine andere Angelegenheit«, sagte der Kehrer. »Mit den Beinen der langen Unterhosen kommt Frau Kosmopilit ausgezeichnet klar, aber mit Fersen und Zehen hat sie noch immer Probleme.« Lobsang hob den Kopf und sah,

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