Der Zeitdieb
präsentierte.
»… sind überhaupt keine Metallteile nötig«, sagte er. »Wir haben eine Möglichkeit gefunden, den gezähmten Blitz über Glas fließen zu lassen, und jemand konnte Glas herstellen, das sich ein wenig biegt…«
Er sprach von »wir«, bemerkte Igor. So war es immer. »Wir haben Dinge entdeckt« bedeutete: Der Herr fragte danach, und Igor ließ sie sich einfallen. Wie dem auch sei… Der Umgang mit gezähmten Blitzen war eine Familientradition. Mit Sand, Chemikalien und einigen Geheimnissen konnte man bewirken, dass sich Blitze setzten und Männchen machten.
Lady LeJean streckte eine behandschuhte Hand aus und berührte die Seite der Uhr.
»Dies ist der Trennmechanismus«, erklärte Jeremy und nahm eine kristallene Vorrichtung von der Werkbank.
Ihre Ladyschaft betrachtete noch immer die Uhr. »Du hast ihr ein Zifferblatt und Zeiger gegeben«, stellte sie fest. »Warum?«
»Oh, sie wird auch bei der Messung der traditionellen Zeit gut funktionieren«, sagte Jeremy. »Natürlich mit Hilfe von gläsernen Zahnrädern. Rein theoretisch braucht sie nie gestellt zu werden. Sie nimmt ihre Zeit vom Ticken des Universums.«
»Ah. Du hast es also gefunden?«
»Die Zeit, die für das kleinste mögliche Ereignis nötig ist, um sich zu ereignen. Ich weiß, dass sie existiert.«
Lady LeJean wirkte fast beeindruckt. »Aber die Uhr ist noch nicht fertig.«
»Manches müssen wir noch ausprobieren«, erwiderte Jeremy. »Aber dabei sollten sich eigentlich keine Probleme ergeben. Igor meint, am Montag wird es ein schweres Gewitter geben. Das sollte uns die benötigte Energie liefern. Und dann…« Ein Lächeln erhellte Jeremys Gesicht. »Ich sehe keinen Grund, warum nicht alle Uhren auf der Welt exakt die gleiche Zeit anzeigen sollten!«
Lady LeJean sah zu Igor, der sich daraufhin noch geschäftiger gab.
»Bist du mit seinen Diensten zufrieden?«
»Oh, er murrt gelegentlich, aber er hat ein gutes Herz. Und vermutlich auch noch ein zweites. Und er ist sehr geschickt, was gewisse Dinge betrifft.«
»Ja, das gilt für alle Igors«, entgegnete die Lady geistesabwesend. »Offenbar beherrschen sie die Kunst, Talente zu vererben.« Sie schnippte mit den Fingern, woraufhin einer der beiden Trolle vortrat und zwei Beutel hervorholte.
»Gold und Invar«, sagte Lady LeJean. »Wie versprochen.«
»Ha, das Invar ist wertlos, wenn wir die Uhr fertig gestellt haben«, sagte Jeremy.
»Wir bitten um Verzeihung! Möchtest du mehr Gold?«
»Nein, nein! Du bist sehr großzügig.«
Und ob, dachte Igor, während er eifrig Staub von der Werkbank wischte.
»Dann bis zum nächsten Mal«, sagte Lady LeJean. Die Trolle wandten sich bereits der Tür zu.
»Kommst du, um zu sehen, wie wir die Uhr in Betrieb nehmen?«, fragte Jeremy, als Igor durch den Flur hastete, um die Haustür zu öffnen. Was auch immer er von Ihrer Ladyschaft hielt – es galt, eine Tradition zu wahren.
»Vielleicht. Aber wir setzen großes Vertrauen in dich, Jeremy.«
»Äh…«
Igor versteifte sich. Einen solchen Ton hatte er nie zuvor in Jeremys Stimme gehört. In der Stimme eines Herrn war es ein schlimmer Ton.
Jeremy holte tief und nervös Luft, als dächte er über ein winziges und besonders schwieriges Uhrwerksteil nach, das eine Katastrophe heraufbeschwören und Zahnräder auf dem Boden verteilen konnte, wenn man es nicht mit äußerster Vorsicht behandelte.
»Ähm… ich habe mich, äh, gefragt, ob ich Ihre Ladyschaft, äh… vielleicht für heute Abend zum, ähm, Essen einladen könnte, äh…«
Jeremy lächelte. Igor hatte Leichen besser lächeln sehen.
Lady LeJeans Miene flackerte. Sie flackerte tatsächlich. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich in rasch aufeinander folgenden Einzelbildern, zwischen denen keine erkennbare Bewegung stattfand. Die übliche Leere wich Nachdenklichkeit und dann Verblüffung. Zu Igors Erstaunen röteten sich ihre Wangen.
»Nun, Herr Jeremy, ich… ich weiß nicht, was ich sagen soll«, stammelte Ihre Ladyschaft. Ihre eisige Beherrschung schmolz zu einer warmen Pfütze. »Ich… ich weiß es wirklich nicht… Vielleicht ein anderes Mal? Ich habe noch eine wichtige Verabredung, freut mich, dich kennen gelernt zu haben, ich muss jetzt leider gehen. Auf Wiedersehen.«
Igor nahm steif Haltung an und stand so aufrecht, wie es einem durchschnittlichen Igor möglich war. Er schloss fast die Tür hinter Ihrer Ladyschaft, als sie nach draußen eilte und die Stufen hinunterging.
Auf der Straße schwebte sie ganz
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