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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Das ›Ai!‹ klang hervorragend, ebenso das ›Hai-ieh!‹. Ausgezeichnetes kämpferisches Kauderwelsch. So was hört man
    heutzutage nicht mehr oft. Außerdem möchten wir vermeiden, dass ihm
    die Hose runterrutscht, nicht wahr?« Er schnupperte und fügte hinzu
    »Derzeit wäre das für uns alle sehr unangenehm.«
    Er klopfte dem noch kleiner werdenden Mann auf die Schulter. »Denk
    an die Regel, die dich dein Lehrer hier am ersten Tag lehrte. Ich schlage vor, du gehst jetzt und wäschst dich. Ich meine, einige von uns müssen hier Ordnung schaffen.«
    Lu-Tze drehte sich um und nickte dem Dojo-Meister zu.
    »Da ich schon einmal hier bin, Meister… Ich würde dem jungen
    Lobsang gern den Apparat für unberechenbare Bälle zeigen.«
    Der Dojo-Meister verneigte sich tief. »Er steht dir zur Verfügung, Lu-Tze der Kehrer.«
    Als Lobsang dem fortschlendernden Lu-Tze folgte, hörte er, wie sich
    der Dojo-Meister an die übrigen Anwesenden wandte. Wie alle Lehrer
    erlag er der Versuchung, einen wichtigen Punkt noch einmal zu
    unterstreichen. »Dojo! Wie lautet Regel Nummer Eins?«
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    Selbst der sich immer noch duckende Herausforderer stimmte leise in
    den Chor mit ein:
    »Verhalte dich nie unvorsichtig kleinen, kahlköpfigen, verhutzelt
    wirkenden und lächelnden Männern gegenüber!«
    »Eine gute Regel, die Regel Nummer Eins«, sagte Lu-Tze und führte
    seinen neuen Akolythen in den nächsten Raum. »Ich habe viele Leute
    kennen gelernt, für die es vorteilhaft gewesen wäre, diese Regel zu
    beachten.«
    Er blieb stehen, ohne den Blick auf Lobsang Ludd zu richten, und
    streckte die Hand aus.
    »Und jetzt gib mir bitte die kleine Schaufel, die du bei unserer ersten Begegnung aus meiner Tasche genommen hast.«
    »Aber ich bin dir gar nicht nahe genug gekommen, Meister!«
    Lu-Tze lächelte weiterhin. »Oh. Ja. Das stimmt. Entschuldige bitte.
    Das Gefasel eines Alten. Steht nicht geschrieben ›Ich würde meinen
    eigenen Kopf vergessen, wenn er nicht festgenagelt wäre‹? Nun, lass uns weitergehen.«
    Der Boden in diesem Raum bestand aus Holz, und die hohen Wände
    waren gepolstert. Hier und dort zeigten sich rötlich-braune Flecken.
    »Äh, so etwas haben wir auch im Dojo der Novizen, Kehrer«, sagte
    Lobsang.
    »Aber die Bälle darin bestehen aus weichem Leder«, erwiderte der Alte und näherte sich einem hölzernen Würfel. Eine Reihe aus Löchern
    reichte halb an der dem Raum zugewandten Seite hinauf. »Und sie sind ziemlich langsam, wenn ich mich recht entsinne.«
    »Äh, ja«, bestätigte Lobsang und sah, wie Lu-Tze einen langen Hebel
    umlegte. Tief unten erklang das Geräusch von Metall auf Metall, und
    Wasser rauschte. Luft zischte aus Fugen in der Kiste.
    »Hier bestehen sie aus Holz«, sagte Lu-Tze ruhig. »Versuch mal, einen zu fangen.«
    Etwas berührte Lobsangs Ohr, und hinter ihm erzitterte die
    Polsterung, als sich ein Ball tief hineinbohrte und dann zu Boden fiel.
    »Vielleicht ein bisschen langsamer…«, sagte Lu-Tze und drehte einen 58

    Knopf.
    Nach fünfzehn vorbeisausenden Bällen traf einer Lobsangs Bauch. Lu-
    Tze seufzte und schob den großen Hebel zurück.
    »Bravo«, sagte er.
    »An so etwas bin ich nicht gewöhnt, Kehrer…« Der Junge stemmte
    sich hoch.
    »Oh, ich wusste, dass du keinen Ball fangen würdest«, meinte Lu-Tze.
    »Bei einer derartigen Geschwindigkeit wäre nicht einmal unser
    ausgelassener Freund drüben im Dojo dazu fähig.«
    »Aber du hast sie doch langsamer fliegen lassen!«
    »Nur damit sie dich nicht töten konnten. Es war ein kleiner Test. Tests und Prüfungen gibt es überall. Komm, Junge. Wir wollen den Abt nicht warten lassen.«
    Lu-Tze schlenderte los und zog einen kleinen Schweif aus
    Zigarettenrauch hinter sich her.
    Lobsang folgte ihm und wurde immer nervöser. Dies war Lu-Tze – der
    Zwischenfall im Dojo genügte als Beweis. Und er hatte es gewusst, in dem Augenblick, als das kleine runde Gesicht freundlich zu dem zornigen
    Kämpfer aufgesehen hatte. Aber… ein einfacher Kehrer? Keine
    Abzeichen? Kein Status? Doch einen Status hatte er ganz offensichtlich, denn der Dojo-Meister hätte sich kaum tiefer verbeugen können. Aber…
    Und jetzt folgte er dem Mann durch Korridore, in denen sich keine
    Mönche aufhalten durften – wer dieses Verbot missachtete, musste mit der Todesstrafe rechnen. Bestimmt bekamen sie früher oder später
    Schwierigkeiten.
    »Ich sollte jetzt wirklich zu meinen Pflichten in der Küche
    zurückkehren…«, begann Lobsang.
    »Oh, ja,

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