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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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während die neue Uhr wuchs, mit ihren
    schimmernden Kristallteilen, die nicht ganz hier zu sein schienen, ging Jeremy immer mehr in der Arbeit auf. Igors Unruhe nahm zu –
    irgendetwas Neues geschah hier. Zwar waren Igors bestrebt, Neues zu
    lernen, aber es gab Grenzen. Igors glaubten nicht an »verbotenes
    Wissen« und »Dinge, die der Mensch nicht kennen sollte«. Aber
    zweifellos existierten Dinge, die ein Mensch nicht wissen sollte. Zum Beispiel sollte er nicht wissen, wie es sich anfühlte, wenn jede einzelne Partikel des Körpers in ein kleines Loch gesaugt wurde. Und genau das schien eine der Möglichkeiten zu sein, die die nahe Zukunft bot.
    Und dann war da noch Lady LeJean. Sie war Igor unheimlich, ein
    Empfinden, das Igors normalerweise bei anderen Leuten hervorriefen.
    Sie roch nicht nach einem Zombie, auch nicht nach einem Vampir. Sie
    roch wie nichts, was Igors Erfahrungen widersprach: Jeder roch nach irgendetwas.
    Und dann gab es da noch eine andere Angelegenheit.
    »Ihre Füfe berühren nicht den Boden, Herr«, sagte Igor.
    »Natürlich berühren sie den Boden«, erwiderte Jeremy. Mit dem Ärmel
    putzte er einen Teil des Apparats. »Sie wird in einer Minute und siebzehn 151

    Sekunden hier sein. Und bestimmt berühren ihre Füße den Boden.«
    »Oh, manchmal ift daf der Fall. Aber beobachte fie, wenn fie einen
    Schritt geht, Herr. Fie kriegt ef nicht richtig hin, Herr. Man kann den Schatten unter ihren Schuhen fehen.«
    »Fehen?«
    »Erkennen, Herr«, sagte Igor und seufzte. Manchmal verursachte das
    Lispeln gewisse Schwierigkeiten. Natürlich ließ sich dieses Problem leicht lösen, aber es war Teil der Igor-Natur. Ebenso gut hätte man auf das Humpeln verzichten können.
    »Halte dich an der Tür bereit«, sagte Jeremy. »Durch Schweben wird
    man nicht zu einer schlechten Person.«
    Igor zuckte mit den Schultern. Er dachte eher daran, dass man durch
    Schweben überhaupt nicht zu einer Person wurde, und außerdem nahm
    er beunruhigt zur Kenntnis, dass sich Jeremy an diesem Morgen mit
    mehr Sorgfalt gekleidet hatte.
    Er entschied sich dagegen, Jeremy darauf anzusprechen, auf welche Art und Weise er eingestellt worden war. Schon seit einer ganzen Weile
    dachte er darüber nach. Seine Einstellung war erfolgt, bevor Ihre
    Ladyschaft Jeremy beauftragte, die gläserne Uhr zu bauen. Das verriet Selbstbewusstsein. Aber sie hatte ihn in Bad Schüschein eingestellt, und Igor hatte sich noch am gleichen Tag mit der Kutsche auf den Weg
    gemacht. Und wie sich herausstellte, hatte Lady LeJean Jeremy am
    gleichen Tag besucht.
    Nur Magie konnte schneller sein als die Postkutsche zwischen
    Überwald und Ankh-Morpork – es sei denn, jemand hatte eine
    Möglichkeit gefunden, per Semaphor zu reisen. Und Lady LeJean sah
    nicht wie eine Hexe aus.
    Die Uhren im Laden wiesen mit lautem akustischen Durcheinander
    darauf hin, dass es sieben Uhr geworden war. Igor öffnete die Tür. Es brachte es immer, die Tür vor dem Klopfen zu öffnen.* Auch das gehörte zum Kodex der Igors.

    * Es brachte nichts. Es brachte es einfach nur. Manche Dinge wurden gebracht, manche nicht. Dinge, die es einfach nur brachten, wurden von Igors gebracht.
    152

    Er zog sie mit einem Ruck auf.
    »Zwei halbe Liter, der Herr, hübsch und frisch«, sagte Herr Soak und reichte Igor zwei Flaschen. »Und ein solcher Tag verlangt nach frischer Sahne.«
    Igor starrte ihn an, als er die Flaschen entgegennahm. »Ich mag fie
    lieber, wenn fie grün ift«, erwiderte er hochmütig. »Guten Tag, Herr Foak.«
    Er schloss die Tür.
    »Sie war es nicht?«, fragte Jeremy, als Igor die Werkstatt betrat.
    »Ef war der Milchmann, Herr.«
    »Sie ist fünfundzwanzig Sekunden zu spät dran!« Jeremy wirkte
    besorgt. »Glaubst du, ihr könnte etwas zugestoßen sein?«
    »Wahre Damen kommen manchmal mit Abficht fu fpät, Herr«, sagte
    Igor und stellte die Milchflaschen beiseite. Sie waren eiskalt.
    »Nun, ich bin sicher, Lady LeJean ist eine wahre Dame.«
    »Über folche Dinge weif ich nicht Bescheid«, sagte Igor, der in dieser Hinsicht erhebliche Zweifel hatte. Er kehrte in den Laden zurück, bezog neben der Tür Aufstellung und griff genau in dem Augenblick nach dem Knauf, als es klopfte.
    Lady LeJean rauschte an Igor vorbei. Die beiden Trolle schenkten ihm keine Beachtung und gingen im Laden in Position. Die Dienste solcher Wächter, wusste Igor, konnte man für zwei Dollar pro Tag plus
    Herumlaufgeld in Anspruch nehmen.
    Ihre Ladyschaft war beeindruckt.
    Die große

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