Der Zeitdieb
ein
Kapuzenmantel, grau wie Nebel. Er löste sich in der Düsternis auf und verschwand.
Die Frau hatte die Gasse betreten und sich… verwandelt.
Igor spürte, wie seine Hände zuckten.
Einzelne Igors verfügten über individuelle Fähigkeiten, aber sie alle waren geschickte Chirurgen, die es verabscheuten, wenn etwas vergeudet wurde. Oben in den Bergen, wo es hauptsächlich für Holzfäller und
Bergleute Arbeit gab, freute man sich, wenn ein Igor in der Nähe
wohnte. Es bestand immer die Gefahr, dass eine Axt abprallte oder ein Sägeblatt nicht an der richtigen Stelle sägte, und in solchen Fällen war es gut, einen Igor in der Nähe zu wissen, der einem mit einer Hand oder vielleicht auch einem ganzen Arm aushelfen konnte.
Während die Igors ihre Kunst großzügig in der Gemeinschaft
praktizierten, machten sie unter sich selbst noch sorgfältigeren Gebrauch davon. Wundervolle Augen, ein ordentliches Paar Lungen, ein gut
funktionierendes Verdauungssystem… Wie schrecklich war die
Vorstellung, solche prächtigen Dinge den Würmern zu überlassen. Und
deshalb sorgten die Igors dafür, dass sie in der Familie blieben.
Igor hatte die Hände seines Großvaters. Und die ballten sich jetzt von ganz allein zu Fäusten.
Tick
Ein kleiner Kessel stand auf einem Feuer aus Holzspänen und Yak-
Dung.
»Es war… vor langer Zeit«, sagte Lu-Tze. »Der genaue Zeitpunkt spielt keine Rolle, wegen der Dinge, die geschahen. Es ergibt überhaupt keinen Sinn mehr, nach dem ›Wann‹ zu fragen. Es hängt ganz vom jeweiligen
Ort ab. An einigen Stellen passierte es vor Jahrhunderten. Woanders…
ist es vielleicht noch gar nicht passiert. Nun, jemand in Überwald…
erfand eine Uhr. Eine erstaunliche Uhr. Sie maß das Ticken des Universums. Weißt du, was das ist?«
»Nein.«
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»Ich auch nicht. Der Abt kennt sich mit solchen Dingen aus. Mal
sehen… Stell dir die kleinste mögliche Zeiteinheit vor. Wirklich klein. So klein, dass eine Sekunde im Vergleich dazu wie eine Milliarde Jahre wäre.
Verstanden? Nun, das kosmische Quantenticken – so nennt es der Abt –
, das kosmische Quantenticken ist noch viel kleiner. Gemeint ist die Zeit, die nötig ist, um vom Jetzt zum Dann zu gelangen. Die Zeit, die ein Atom braucht, um ans Wackeln zu denken. Die Zeit…«
»Die Zeit, die für das kleinste mögliche Ereignis nötig ist, um sich zu ereignen?«, fragte Lobsang.
»Genau, bravo«, erwiderte Lu-Tze. Er atmete tief durch. »Es ist auch die Zeit, die nötig ist, um das ganze Universum in der Vergangenheit zu zerstören und in der Zukunft neu zu erschaffen. Sieh mich nicht so an –
der Abt sagt das.«
»Geschieht das auch, während wir miteinander sprechen?«, fragte
Lobsang.
»Millionen Male. Vermutlich ein Zuhaufmal.«
»Wie viel ist das?«
»Das Wort stammt vom Abt. Es bedeutet eine größere Zahl, als man
sich in einer halben Ewigkeit vorstellen kann.«
»Wie lang ist eine halbe Ewigkeit?«
»Ziemlich lang.«
»Und wir merken nichts davon? Das Universum wird zerstört, und wir spüren überhaupt nichts?«
»Angeblich nicht. Als man es mir zum ersten Mal erklärte, wurde ich
ein wenig nervös, aber es geht viel zu schnell, als dass wir etwas fühlen könnten.«
Lobsang starrte eine Zeit lang auf den Schnee hinab. »Na schön«, sagte er dann. »Fahr fort.«
»Jemand in Überwald baute eine Uhr aus Glas. Angetrieben von
Blitzen, wenn ich mich recht entsinne. Irgendwie schaffte sie es, mit dem Universum zu ticken.«
»Warum sollte jemand eine solche Uhr bauen wollen?«
»Meine Güte, der Bursche wohnte in einem großen alten Schloss auf
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einem Felsen in Überwald. Solche Leute brauchen keinen besonderen
Grund, abgesehen von ›weil ich es kann‹. Sie haben einen Albtraum und versuchen, ihn Wirklichkeit werden zu lassen, kapiert?«
»Aber… eine solche Uhr kann man gar nicht bauen, weil sie sich im
Innern des Universums befände. Sie… müsste damit rechnen,
zusammen mit dem Universum zerstört und wieder erschaffen zu
werden.«
Lu-Tze war beeindruckt und sagte es auch: »Ich bin beeindruckt.«
»Genauso gut könnte man versuchen, eine Kiste mit der Brechstange
zu öffnen, die in der Kiste liegt.«
»Der Abt glaubt, dass ein Teil der Uhr außerhalb des Universums
existierte.«
»Es kann nichts außerhalb des…«
»Sag das dem Mann, der sich seit neun Leben mit diesem Problem
befasst«, meinte Lu-Tze. »Möchtest du den Rest der Geschichte hören?«
»Ja, Kehrer.«
»
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