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Der Zeitenherrscher

Titel: Der Zeitenherrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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einer der obersten Häuptlinge, Sitting Bull, in einer Schlacht erschossen wurde, da verloren die Indianerstämme ihren Mut. Sie gaben den Widerstand auf. Das 7. US-Kavallerieregiment …“
    Plötzlich stockte Simon. Aus dem Augenwinkel heraus war ihm etwas aufgefallen. Eine Bewegung. Kurz nur, doch ausreichend, ihn aufmerksam werden zu lassen.
    Er hob den Kopf, denn während seiner Rede hatte er unentwegt auf den Boden vor sich gestarrt.
    Noch immer wanderten sie über eine schneebedeckte, eintönige Landschaft. Grau und Weiß, wohin man blickte. Aus dem pulverigen Schnee und den braunen Grasspitzen am Boden erhoben sich nur dann und wann einige Gebüsche. Nackte Sträucher bloß, an denen schon lange Zeit kein Laub mehr hing. Diese Gewächse ließen die ganze Gegend tot erscheinen. WieTeile eines vergessenen Skelettes standen sie in der Trostlosigkeit dieser Ebene.
    Simons Blick fiel auf einen solchen Strauch zu seiner Linken, nur einige Schritte von ihm entfernt. Er entdeckte eine Krähe, die oben auf einem der abgestorbenen Äste saß. Die Krähe blickte zurück. Es schien, als starre sie die Gruppe der Jugendlichen aufmerksam an.
    Das Tier erinnerte Simon an die Krähe im Seelensammler. An eine der größeren Krähen. Die mit dem krummen Schnabel.
    Der Vogel behielt die Gruppe im Auge, aber Simon beschloss, sie vorerst zu ignorieren, und nahm seine Rede von vorhin wieder auf: „Das 7. Kavallerieregiment rückte an, um die Lakota-Indianer in ihr Reservat zu führen und ihnen ihre Waffen abzunehmen“, erklärte er, während er seine Freunde weiter den Weg entlangführte.
    „Ihnen sollten die Waffen abgenommen werden?“, hakte Nin-Si nach. „Das ist es doch, was Moon uns erzählt hatte. An diesem Tag kam es zu dem fürchterlichen Blutbad.“
    Simon nickte. „Die Soldaten der Kavallerie hatten das Lager der Indianer umstellt und ließen sich deren Waffen bringen. Die Situation war sehr angespannt, als ein Indianer nach dem anderen hervortrat und sein Gewehr und sein Messer auf die Erde legte. Doch die Soldaten waren nicht zufrieden mit der Anzahl der Waffen, die ihnen die Indianer aushändigten. Also begannen sie, die Indianer abzutasten. Nur widerwillig ließen diese es zu, und die Stimmung drohte zu kippen.
    Noch immer gaben sich die Soldaten nicht mit dem zufrieden, was sie an Waffen zusammenbekommen hatten. Also gingen sie in die Zelte der Indianer, um dort zu suchen. Die Nerven lagen blank.
    Dann geschah das Unglück. Einer der Indianer, Black Coyote, besaß ein Gewehr, auf das er sehr stolz war und wofür er sehr viel bezahlt hatte. Er war nicht bereit, es den Weißen einfach so auszuhändigen. Ein Soldat wollte es ihm entreißen. Er rang mit dem Medizinmann um das Gewehr. Und dann löste sich ein Schuss.
    Ihr könnt euch denken, was nun geschah. Aus allen Ecken und Winkeln wurde geschossen. Die Angst voreinander und die Wut aufeinander – all das entlud sich in dieser Sekunde. Doch die Indianer waren ja entwaffnet und konnten sich kaum wehren. Und die Schüsse hörten nicht auf. 350 Indianer verloren ihr Leben. Männer, Frauen und Kinder – sie alle wurden regelrecht hingerichtet.“
    Nin-Si wandte sich ab. „Wie schrecklich!“
    „Ja. Alles geschah wegen dieses einen Versehens. Nur weil sich dieser Schuss aus Black Coyotes Gewehr gelöst hatte, kam es zu der Tragödie. Aus Angst und in Panik wurde geschossen. Es trat erst Ruhe ein, als die Soldaten sicher waren, dass …“
    Plötzlich stockte Simon erneut. Rechts von ihm hatte er eine zweite Krähe entdeckt, die ebenfalls auf einem ausgedorrten Strauch saß und scheinbar angestrengt zu ihnen herüberblickte.
    „Hast du was?“ Neferti sah nun gleichfalls in die Richtung der zweiten Krähe.
    „Ich weiß nicht genau“, war Simons Antwort. „Ich habe …“
    Eine dritte Krähe! Auf dem Ast eines Gebüsches vor ihnen. Normalerweise hätte Simon keine Notiz von den Tieren genommen. Er hätte vermutet, dass sie hierher gehörten. Doch die Ähnlichkeit des ersten Vogels mit der Krähe auf ihrem Schiff und die Tatsache, dass alle diese Krähen sie anstarrten, ließen das Ganze unheimlich erscheinen.
    Da – eine vierte und eine fünfte Krähe. Die beiden saßen nebeneinander auf einem weiter entfernten Gebüsch. Und sie starrten zu den Freunden hinüber.
    Simon blieb stehen und bedeutete auch den anderen innezuhalten. Gerade kam eine weitere Krähe angeflogen und landete auf einem der Sträucher, die unmittelbar vor ihnen aus dem Schnee aufragten.

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