Der Zeitenherrscher
Mutige. Er konnte sehr gut allein zurechtkommen und … wenn es darauf ankam … er … er …
Hastig rannte er an die Reling. „Ich brauche euch nicht!“, rief er in die Stille der verschneiten Landschaft. „Geht doch!Geht! Rettet den Indianer. Gebt ihm sein Leben in Angst zurück. Ich kann hier allein … Ich …“
Seufzend ließ er sich auf das Deck fallen. Tränen standen ihm in den Augen. Wem versuchte er hier etwas vorzumachen? Er war allein. Unverstanden. Einsam in seiner eigenen Welt und einsam in dieser Welt. Er sollte damit aufhören, anderen zu vertrauen. Er sollte seinen eigenen Weg gehen. Allein. Und sich damit abfinden. Freundschaften hatten ihm bisher immer nur Enttäuschungen gebracht.
Ein plötzlicher Schrei ließ ihn zusammenfahren. Aus dem Korb des vorderen Mastes erhob sich die kleine Krähe mit wildem Geflatter. Sie kreischte erst auf, dann flog sie mit hektischen Flügelschlägen über das Festland, in die Richtung, in die Simon vor Stunden mit den anderen losgezogen war.
Caspar sprang auf die Füße und blickte der kleinen Krähe nach, bis sie hinter einer Anhöhe seinem Blickfeld verschwunden war.
Ihr Krächzen hatte ihn aus seiner Grübelei und aus seiner Regungslosigkeit aufgeschreckt. Nun kam wieder Leben in ihn. Er musste etwas tun. Endlich sollte alledem ein Ende gesetzt werden. Caspar hatte einen Entschluss gefasst. Er würde sich alleine durchschlagen.
Er blickte sich um. Dieses Schiff … das war alles, was er im Moment besaß.
Vielleicht sollte er … Bei diesem Gedanken blieb ihm beinahe das Herz stehen. Vielleicht sollte er sich mit diesem Schiff davonmachen. Er könnte in eine Zeit reisen, in der es ihm besser gehen würde. In der er endlich ein Leben aufbauen könnte, das ihm gefiel. Vielleicht konnte er sogar Schildknappe werden. Oder noch mehr.
Das Leben hatte Caspar übel mitgespielt. Nichts war ihm bisher geschenkt worden. Nichts – bis auf dieses Schiff hier. Das war seine Wiedergutmachung für all die Enttäuschungen, die er hatte erleiden müssen.
Und die anderen? Nur einen kurzen Moment dachte er an Simon und die Zeitenkrieger. Sie hatten ihm seine Hoffnungen genommen – nun nahm er ihnen ihr Schiff. Das war gerecht.
Wie im Fieber trat Caspar an die Zeitmaschine heran. Das Herz in der Glaskugel begann zu zittern. Es blähte sich gerade auf.
Das Herz des Schattengreifers, durchfuhr es Caspar. Würde der Magier ihn nicht finden? Konnte ein Junge überhaupt der Macht des Schattengreifers entkommen?
Caspar schüttelte diese Gedanken schnell ab. Dies war seine Chance. Ein neues Leben wartete auf ihn. Und er wollte nicht mehr zögern.
Er würde diese Reise antreten.
Eine Reise in ein besseres Leben. In ein Leben, wie er es sich immer erträumt hatte.
„Diese Blicke“, brachte Nin-Si plötzlich hervor. „Diese Blicke sind nicht zum Aushalten. Es macht mich verrückt. Diese Krähen schauen uns an, als wollten sie …“
Salomon nahm sie an der Hand. „Schau nicht in ihre Augen, Nin-Si. Lass uns versuchen …“
Die oberste Krähe reckte sich plötzlich. Sie streckte die Flügel weit aus und schrie erneut mit ihrem krummen Schnabel auf.
Dieses Mal reckte sie sich jedoch nach oben. Gerade so, als wolle sie jemanden rufen. Sie ruckte mit dem Kopf rauf und runter und stieß einen zweiten Schrei aus, lauter noch als der zuvor.
Und plötzlich kam wieder Bewegung in die Krähen. Wieder flogen sie näher zu den Freunden heran und kreisten sie weiter ein. Wie eine Welle aus undurchdringlichem Schwarz bewegten sie sich auf die vier zu.
Neferti blickte ängstlich auf die spitzen Schnäbel. „Was sollen wir tun?“
„Wir haben nicht mehr viel Zeit!“, gab Salomon zur
Antwort. „Wir können hier nicht stehen bleiben und verharren. Moon wartet auf uns!“
Schnell wandte sich Simon zu ihm um. „Was hast du vor?“
Doch Salomon hörte schon nicht mehr hin. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Moon erwartet uns“, wiederholte er nur und ließ langsam Nin-Sis Hand los.
„Salomon – was soll das?“, rief Simon noch einmal, Salomon trat in dem Moment schon einen Schritt vor. Und wie zur Antwort bewegten die Krähen sich ebenfalls auf ihn zu.
Noch einmal wagte Salomon einen Schritt in Richtung der Krähen, und noch einmal taten es ihm die Krähen nach. Wie ein Echo auf Salomons Bewegung.
Der Junge ballte die Hände zu Fäusten und spannte die Muskeln an.
„Salomon! Nein!“, schrie Simon, doch es war zu spät. Salomon stürzte los, auf die
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