Der Zeitenherrscher
Zeit vor ihm ab, die wie aus einem anderen Leben auf ihn wirkten. Doch er würde es wieder wagen, dieses Leben zu betreten.
Für seinen Sohn!
Hektisch rollte er das Taschentuch aus. Eine Raubtierkralle kam zum Vorschein, und Christian wurde bei diesem Anblick regelrecht feierlich zumute.
Er hörte wieder die Worte der kleinen Krähe, die sie ihm an der Reling des Seelensammlers ins Ohr geflüstert hatte, nachdem sie ihm die Raubtierkralle in die offene Hand gelegt hatte: „Ein kleines Stück Segeltuch und eine Krähenfeder, mehr benötigst du neben dieser Kralle nicht zur Wiederkehr auf dieses Schiff. Die Feder und die Kralle werden den Zauber auslösen. Und das Segeltuch wird dir den Weg hierher weisen.“
„Benötige ich keinen Zauberspruch?“, hatte Christian damals verblüfft gefragt, und die Antwort der Krähe klang immer noch in ihm nach, als habe sie diese Worte erst gestern ausgesprochen: „Die Formeln werden wie von selbst aus dir hervorkommen, solange du nur wirklich und aus voller Überzeugung zurückkommen willst.“
Christian schüttelte sich. Gerade so, als könne er all diese Erinnerungen von sich abwerfen. Er nahm die Kralle in dieFinger seiner rechten Hand, legte die Spitze auf die Handfläche seiner linken und zog sich die Kralle kräftig durch die Haut. Sofort floss Blut aus der Hand.
Christian bündelte all seine Gedanken. Er rief sich das Schiff in Erinnerung, den Seelensammler. Er spürte bereits die Sehnsucht in sich, dieses Schiff und die kleine Krähe wiederzusehen. Und tatsächlich, plötzlich kamen Worte über seine Lippen. Begriffe, die er selbst nicht kannte. Formeln, deren Sprache er nicht einmal einzuschätzen wusste.
Der Zauber wirkte. Nur noch wenige Augenblicke – würde er dann seinen Sohn in den Armen halten können?
Schon wollte er das Blut seiner rechten Hand auf die Krähenfeder und das Stück Segeltuch tropfen lassen, als er wieder die Stimme seiner Frau vernahm: „Christian, was ist hier los? Simon ist nicht in seinem Zimmer. Und du kniest hier auf der Erde und erzählst mir von Geheimnissen, die ich nicht kenne und … Was machst du da?“
Christian wandte sich zu ihr um. Sein Herz schlug so heftig gegen seinen Brustkorb, dass er schon befürchtete, es könnte die Rippen sprengen.
Wie hatte er so unüberlegt handeln können! Was für ein Glück, dass seine Frau ihn gestört hatte. Gerade in diesem Moment.
Wie hatte er nur den Rückweg vergessen können? Beinahe hätte Christian sich auf die Reise zu seinem Sohn begeben, ohne dafür zu sorgen, dass sie auch den Weg zurück finden konnten.
„Danke!“, hauchte er Jessica entgegen.
„Danke? Wofür?“ Sie sprach beschwörend auf ihn ein: „Bitte Christian, sag mir doch, was all das hier zu bedeuten hat.“
Christian trat nahe an sie heran. Er brauchte etwas, das ihn zurückbrachte. Etwas, das seinem Zauber den Weg zeigte, wenn er gemeinsam mit seinem Sohn zurückkehren wollte.
„Entschuldige“, sagte er liebevoll zu seiner Frau. „Das alles hier muss schrecklich verwirrend für dich sein. Doch vertrau mir. Ich werde dir das später erklären. Aber erst, wenn ich wieder zurück bin.“
„Zurück? Was hast du vor?“
Er berührte mit einer Hand sanft ihre Haare. „Vertrau mir bitte“, flehte er sie noch einmal an. Dann zog er die Raubtierkralle hervor und schnitt mit einem kurzen Hieb eine Haarsträhne von ihrem Kopf.
„Au! Was soll …“
„Vertrau mir. Bitte.“ Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss. „Ich werde dir alles erklären.“
Damit wandte er sich um, ließ die blonde Haarlocke seiner Frau in der Hosentasche verschwinden und kniete sich erneut auf die Erde. Er spürte bereits, wie die magischen Worte wieder aus seinem Mund strömten. Er spürte, wie alles um ihn herum zu verschwimmen begann. Er hörte seine Frau nur noch wie aus weiter Ferne auf ihn einreden.
Dann berührte der Blutstropfen die Feder und das Segeltuch, und Christians Reise begann. Das Letzte, was er sah, war der überraschte und sorgenvolle Blick seiner Frau, deren Anblick wie in einem Dunst vor ihm verschwand.
Und Christian wurde wieder einmal bewusst, wie sehr er seine Familie liebte.
Schon stürzte der Säbelzahntiger aus seinem Versteck auf den Strand und brüllte dem Schattengreifer dort wütend entgegen.
Der Magier hinter Simons Rücken erklärte: „Ich war wieder zurückgereist in der Zeit. Zu dem Moment, in dem dieser Säbelzahntiger den Jungen meines Stammes erschreckt hatte. Ich wollte
Weitere Kostenlose Bücher