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Der Zeitenherrscher

Titel: Der Zeitenherrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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Brüder! Und nur durch ihre Hitzköpfigkeit und ihr Unvermögen, miteinander zu sprechen, haben sie die jahrelange Arbeit des Arztes zerstört. Tausende Menschen würden weiterhin an einer heimtückischen Krankheit leiden.
    Ich konnte es nicht mehr mit ansehen. Das war zu viel für mich. Unbändige Wut kochte in mir. Und ich spürte, wie diese Wut Kräfte in mir freisetzte. Kräfte, von denen ich wieder nicht ahnte, dass ich sie besaß. Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich diese beiden Brüder mit nur einer Handbewegung hätte stoppen können. Ich hätte ihnen ihren Lebenssaft aussaugen können, mit nur einem kurzen Wink. Doch gleichzeitig war mir klar, dass ich dann wie sie sein würde: Ich würde Unrecht mit Unrecht vergelten. Wenn ich Gewalt mit Gewalt bekämpfe, bin ich nicht besser als die, die Kriege anführen. Also versuchte ich etwas anderes. Ich wusste ja inzwischen, dass die Zeit mir gehorchte.“
    Mit vor Spannung angehaltenem Atem beobachtete Simon, wie der junge Magier nach vorn trat und mit wutverzerrtem Gesicht die Hände in die Richtung der beiden Kämpfer hob. Sein Mund begann sich zu bewegen. Er flüsterte eine Formel. Wieder und wieder. Die kleine Krähe auf seiner Schulter beugte sich weit vor, um auch nicht das kleinste Wort zu verpassen.
    Bis plötzlich die beiden kämpfenden Brüder mitten in ihrer Bewegung erstarrten. Auch der Arzt blieb unvermittelt reglos stehen. Für einen Moment wirkte die ganze Szene wie ein gemaltes Bild. Dann jedoch bewegte sich der Schattengreifer in dem Saal, und auch die kleine Krähe auf seiner Schulter. Der Magier nahm seine Hände herunter, ging zu einer Truhe, die an der Seite stand und auf deren Deckel sich eine Vase mit hohen Blumen befand. Er zog zwei rote Rosen hervor und ging damit zu den Brüdern. Es war ihm anzusehen, dass er selbst überrascht war, wie mächtig er inzwischen geworden war. Dass er die Zeit anhalten konnte, ließ ihn selbst stutzig werden.
    Er packte die Faust des einen Mannes, löste sie vom Schwertgriff, entnahm ihm die Waffe und steckte ihm dafür eine der Rosen hinein. Dann drehte er sich um und tauschte auch bei seinem Bruder das Schwert gegen die Rose. Mit den beiden Waffen in der Hand ging er zurück an den Tisch. Er stellte die Schwerter nebeneinander mit der Spitze auf den Steinboden und lehnte sie mit ihren Griffen gegen die Tischplatte, bevor er mit seinem rechten Fuß ausholte und wutschnaubend gegen die Waffen trat. Erst gegen das eine Schwert, dann gegen das andere. All seine Wut entlud sich in diesem Moment, und mit der Kraft des Verzweifelten zerbrach er die Waffen. Klirrend gaben die Schwerter nach. Die beiden Griffe brachen ab, und die vier Einzelteile fielen scheppernd zu Boden.
    Der Schattengreifer fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Dann richtete er sich auf und flüsterte erneut eine Zauberformel.
    Simon blickte wieder zu den beiden Brüdern hin. Diese vollendeten ihre Bewegung und hieben noch einmal aufeinander ein. Doch dann hielten sie inne und bestaunten die Rosen in ihren Händen. Das alles wirkte grotesk. Völlig verrückt. Auf die Brüder und auch auf Simon.
    Die Königssöhne blickten erstaunt auf die Blumen in ihren Fäusten, dann verfielen sie plötzlich in lautes, schreiendes Gelächter.
    „Was geht denn hier vor?“, brüllte der eine, und der andere erwiderte: „Zauberei.“
    Sie lachten. Und schließlich fielen sie sich in die Arme. „Wenn das kein Zeichen ist!“, rief der eine lachend aus. „Vielleicht sollten wir …“
    Das Bild verschwamm. Simon stand mit dem Schattengreifer vor der leeren Wand.
    „Das war sehr nett von Euch“, sagte Simon, den die gute Laune der beiden Brüder angesteckt hatte. Doch der Schattengreifer verzog keine Miene.
    „Der Frieden der beiden trügt, musst du wissen. Ich hatte sie mit meinem kleinen Streich zwar zum Nachdenken gebracht, denn sie einigten sich kurz darauf, gemeinsam den Thron zu besteigen und das Land zu regieren, doch eine ihrer ersten Taten als Könige bestand darin, einen Krieg gegen einen Vetter zu beginnen, dessen Reich an das ihre grenzte und das sie für sich beanspruchten. Wenige Wochen nach dem, was du gerade gesehen hast, ließen sie ihre Klingen also wieder sprechen. Und der Arzt brauchte Monate, um seine Medizin neu zu mischen. Keiner weiß, wie viele Menschen sinnlos weiter leiden mussten, nur weil diese Hitzköpfe die Wissenschaft gestört hatten.“
    Simons gute Laune verflog sofort. „Ich verstehe.“
    „Ja“, gab der

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