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Der Zeitenherrscher

Titel: Der Zeitenherrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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hatten die Stadtmauer nun beinahe erreicht, und in dem einheitlichen Grau, in das die Mauer vom Nachtlicht getaucht war, konnten sie allmählich Konturen erkennen: Schießscharten und sogar einzelne Fenster.
    „Dort ist ein Tor!“, rief Nin-Si plötzlich aus und rannte darauf zu. Die anderen folgten ihr.
    Es war riesig, von einem hohen Bogen aus Mauersteinen eingefasst. Moon sah sich noch einmal nach den anderen um,
    dann schlug er mit der Faust kräftig gegen das dunkle Holz des Stadttores. Caspar umfasste mit seinen Händen die Messer, die an seinem Gürtel hingen.
    Es brauchte eine kurze Weile, dann wurde ein winziges Fenster geöffnet, das in das Tor eingelassen war. Zwei Augen tauchten darin auf, deren Weiß im Licht der Nacht hell schimmerte. Eine tiefe, dröhnende Stimme war zu hören: „Wer da?“
    „Wir sind Wanderer und bitten um Einlass“, sagte Simon so freundlich er konnte. Die Wortwahl verdankte er den vielen Ritter-Romanen, die er gelesen hatte.
    „Einlass? Um diese Zeit?“, dröhnte es von der anderen Seite. „Geht weiter eures Weges.“
    Doch Simon ließ nicht locker: „Die Nacht ist kalt. Wir frieren.“
    „Was interessiert das mich? Um diese Zeit gelangt niemand in die Stadt.“
    „Aber …“
    „Sind euch schon die Ohren abgefroren? Hört ihr mich nicht?
    Packt euch und klopft morgen wieder an. Bei Tageslicht. Dass ich euch auch zu sehen bekomme!“
    Simon hatte bereits geahnt, dass die Wache sie im Licht der Nacht nicht erkennen konnte. Sonst hätte sie bestimmt schon eine Bemerkung zu ihrem Alter fallen lassen.
    Mit einem lauten Scharren schloss sich das kleine Fenster wieder. Für die Wache war dieses Gespräch beendet.
    „Aber … hört doch …!“
    Plötzlich trat Caspar von hinten an Simon heran. „Du magst ja eine Menge aus deinen Büchern gelernt haben. Aber über den Umgang mit diesen Leuten stand wohl nicht viel darin, oder?“
    Grinsend schob er Simon zur Seite. „Lass mich mal!“ Er sahsich nach den beiden Mädchen um. „Habt ihr irgendetwas von Wert bei euch?“
    Nin-Si schüttelte den Kopf. „Bis auf mein Kleid, das sehr wertvoll ist, besitze ich ja nichts.“
    „Aber ich“, fuhr Neferti dazwischen. Sie griff sich in die Haare und zog ihr Stirnband hervor, dessen edler goldfarbener Stoff, aus dem es gefertigt war, selbst im fahlen Mondlicht hell aufschimmerte.
    „Aber …“ Nin-Si blickte sie erstaunt an, „… du liebst dieses Band! Du sagst doch selbst oft, dass es dich an dein Zuhause erinnert. An deine Zeit in Amarna, als der Pharao selbst es dir geschenkt hat.“
    Neferti schüttelte den Kopf. „All das ist unwichtig. Hinter diesen Mauern wartet ein Freund.“ Sie hielt Caspar den Schmuck entgegen. „Hilft dir das?“
    „Ja!“ Caspar warf ihr einen dankbaren Blick zu. „Und du bist sicher?“
    Sie nickte, doch als er sich zu Tür wandte, drehte sich Neferti schweigend um. Niemand sollte ihre Tränen bemerken. Aber weder Simon noch den anderen war die Trauer der Ägypterin um ihr geliebtes Band entgangen.
    Caspar schlug noch einmal gegen das Tor. Schon im gleichen Moment öffnete sich das kleine Fenster erneut, und die Augen der Wache tauchten darin auf. Gerade so, als habe der Mann nur auf das neuerliche Klopfen gewartet.
    „Was gibt es noch?“, dröhnte die Wache. „Ich habe euch doch klare Instruktionen gegeben.“
    „Ich klopfe ja auch nicht um Einlass an“, erwiderte Caspar.
    Die Stimme der Wache klang überrascht: „So? Warum dann?“
    Caspar trat einige Schritte zurück und legte an den Rand des Weges deutlich sichtbar Nefertis Stirnband auf die Erde. „Ich habe hier etwas Wertvolles liegen sehen“, sagte Caspar. „Und ich wollte wissen, ob es nicht vielleicht Euch gehört.“
    Was für ein geschickter Bestechungsversuch, dachte Simon beeindruckt.
    „Ich verstehe dich.“ Die Wache hatte den Köder wohl geschluckt. „Wertvoll sagst du?“, hakte er nach.
    „Ich schätze, es ist aus purem Gold“, war Caspars Antwort.
    „Nun, es ist wohl das Beste, wenn ich mir das anschauen komme. Ich werde dazu die Tür für einen Moment offen stehen lassen.“
    Caspar grinste. „So dachte ich es mir.“
    Scharrend schloss sich das Fensterchen erneut. Nur wenige Sekunden darauf hörten die Freunde, wie auf der anderen Seite des Tores Riegel entfernt oder verschoben wurden. Dann öffnete sich das Tor einen Spaltbreit. Die Wache trat heraus.
    „Ich werde meine Augen auf dieses funkelnde Stück richten“, sagte der Mann. „Dabei kann ich

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