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Der Zeitenherrscher

Titel: Der Zeitenherrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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konnte. Über den Kopf hatte er sich eine Kapuze gezogen, die zu einem langen glänzenden Umhang gehörte.
    Natürlich, der Mann trug eine Pestmaske! Simon ärgerte sich über sich selbst. Er hatte in seiner Schulbibliothek doch oft genug über dem Lexikon gesessen und sich das Bild mit der Maske angesehen! Seine Angst vor dem Schattengreifer war wohl doch größer, als er sich es selbst eingestehen wollte.
    „Fremd in dieser Stadt?“, wiederholte der Mann nun. „Dann verschwindet wieder. Ihr habt es irgendwie in diese Stadt hinein geschafft, dann gelingt es euch gewiss auch, wieder hinauszugelangen. Glaubt mir: Diese Stadt ist verflucht. Und ebenso ein jeder, der sich in diesen Mauern aufhält. Flieht, solange ihr es noch könnt.“
    Simon nahm all seinen Mut zusammen. „Wir können nicht gehen“, gab er zur Antwort. „Wir suchen einen Freund.“
    Hinter der Maske blieb es stumm. Der Fremde stand Simon gegenüber und schien ihn nachdenklich anzustarren.
    Nun lösten sich auch die Zeitensegler aus ihrem Versteck an der Hauswand und stellten sich hinter Simon auf.
    Der Kopf des Mannes ruckte kurz zur Seite. Er besah sich wohl die Jugendlichen. Und endlich redete er wieder: „Einen Freund sucht ihr?“, sagte er nur knapp. „Echte Freundschaft ist in diesen Zeiten wertvoller als alles andere.“
    Bevor Simon ihn um Hilfe bitten konnte, streifte sich der Mann die Handschuhe von den Händen, griff an seine Maskeund zog sie mit einem Ruck über den Kopf. Ein verschwitztes Gesicht kam darunter zum Vorschein. Das Gesicht eines Mannes, den Simon auf etwa dreißig Jahre schätzte. Sein schwarzes Haar klebte ihm an Stirn und Schläfen.
    Jetzt, ohne die Gläser der Maske vor den Augen, besah er sich die Freunde erneut. „Ihr seid wirklich nicht von hier“, sagte er. „Ihr kommt nicht einmal aus unserer Gegend, oder? Eine Gruppe wie euch habe ich noch nie gesehen.“
    „Das ist eine lange Geschichte“, antwortete Simon, der endlich alle Angst verloren hatte. „Wir …“
    Der Fremde hob die Hand. „Für lange Geschichten gibt es in dieser Stadt keine Zeit mehr. Seid wachsam. Findet euren Freund, und dann verlasst diese Mauern, so schnell ihr nur könnt. Haltet euch an keiner Ecke lange auf.“
    Neferti löste sich aus der Gruppe. Sie kam auf den Mann zu und berührte mit ihrer Hand die Maske des Mannes. „Wer seid ihr?“
    Der Mann hob die Maske in die Höhe. „So etwas habt ihr noch nie gesehen? Ihr müsst ja wirklich von sehr weit her kommen. Ich bin Arzt.“ Er ließ die Maske sinken und klang plötzlich sehr betrübt: „Zumindest war ich einmal Arzt. Ich bin einst angetreten, um Menschen zu helfen. Um Not zu lindern. Um Krankheiten auszuräumen. Doch seht mich an, was aus mir geworden ist.“ Er hielt den Jugendlichen die Maske vor die Augen. „Ich bin ein Handlanger des Todes geworden. Wenn man mich ruft, dann ist es meist schon zu spät. Dann kann ich nur noch faulende Haut versorgen, die Eiterbeulen zählen und versuchen, Schmerzen zu lindern. An Hilfe oder gar Rettung ist nicht mehr zu denken.“
    „Und diese Maske?“, erkundigte sich Moon.
    „Sie soll mich vor Ansteckung schützen. Seht, in diesem Schnabel stecken Kräuter und Gewürze, die mich schützen und die verhindern, dass ich den Geruch der Pest ertragen muss. Ich muss euch ganz schön erschreckt haben mit meiner Erscheinung.“ Er versuchte, ihnen ein freundliches Lächeln zu schenken, doch es war ihm anzusehen, dass er alle Übung im Lachen verloren hatte. „Nennt mich Adam!“
    Auch die Jugendlichen stellten sich vor. „Ungewöhnliche Namen“, stellte der Arzt fest. „Ihr seid ungewöhnliche Leute. Wie also kommt es, dass ihr gerade in dieser Stadt einen Freund sucht?“
    „Er ist hier geboren“, erklärte Caspar. „Er lebt in dieser Stadt.“
    „Und wie heißt er, den ihr sucht?“
    „Salomon. Der Sohn von David und Rachel. Er lebt im jüdischen Viertel.“
    Der Arzt hob die Augenbrauen. „Salomon? Ist er etwa so alt wie ihr? Schwarzer Lockenkopf?“
    Neferti strahlte den Mann an. „Ihr kennt ihn?“
    „Er wohnt nur einige Straßen von meinem Haus entfernt. Ich kenne ihn recht gut. Sein Vater und ich, wir haben viel miteinander zu tun. David, der Kaufmann. Er besorgt mir Kräuter für Tees, für Verbände und für … für …“, er senkte den Blick wieder auf die Schnabelmaske, „… für meine verfluchte Pestmaske.“
    In den Jugendlichen keimte Hoffnung auf. „Könntet Ihr uns zu ihm bringen, zu Salomon?“
    Adam

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