Der Zeitenherrscher
Freunden. Die Erinnerung an diese Illusion machte ihm noch immer Angst.
„Dann … dann möchte er Frieden schaffen?“ Die Überraschung in Nefertis Stimme war unüberhörbar. „Das ist sein Plan?“
„Eine neue Zeit“, grübelte Salomon. „Eine Zeit ohne Krieg, das also hat er damit immer andeuten wollen.“
„Frieden?“ Caspar trat aus dem Kreis der Jugendlichen zurück und wiederholte ungläubig: „Frieden? Aber … aber dann verstehe ich nicht, wieso ihr ihn bekämpfen wollt.“
Auch Moon zog sich zurück. „Wenn es das ist, was er möchte, dann werde ich mich nicht mehr gegen ihn stellen. Wowahwa – Frieden.“
„Wartet!“ Simon hob beide Hände. „Das ist doch kein echter Frieden, wenn die Menschen dafür ihre Freiheit aufgeben.“
„Hah – Freiheit!“, brüllte Caspar ihn
an. „Was haben sie denn getan, die Menschen, mit ihrer Freiheit?“,
fragte er, und Simon war überrascht, dass Caspar beinahe dieselben Worte benutzte wie der Magier vorhin. „Er hat es dir doch gezeigt: Sie führen Kriege …“
„Und sie verfolgen Menschen …“, ergänzte Salomon.
„… und sie töten ihre eigenen Kinder“, gab Nin-Si schluchzend von sich. Mit Tränen in den Augen wandte sie sich ab, und Simon überlegte wieder einmal, was ihr wohl zugestoßen war in ihrer Zeit. Damals, kurz bevor sie auf dieses Schiff gekommen war. Doch im Moment musste er sich um anderes kümmern: Er musste den Schattengreifer aufhalten. Und es schien beinahe so, als verliere er seine Mitstreiter.
„Nicht alle Menschen sind auf Streit aus“, widersprach er. „Viele von ihnen …“
„Sind es wirklich so viele?“, fragte Neferti. „Mein ganzes Leben war geprägt von der Angst vor denen, die den Pharao stürzen wollten. Es gab keinen ruhigen Moment. Immer lebten wir in Furcht.“
„Ihr habt gesehen, wozu die Menschen fähig sind“, warf Moon ein. „Sie schießen aufeinander. Und dennoch …“
Salomon wandte sich Simon zu: „Gefällt dir der Gedanke nicht? Eine Welt ohne Gewalt?“
Simon schüttelte schnell den Kopf. „Versteht ihr nicht? Er macht euch etwas vor. Der Schattengreifer macht sich selbst etwas vor. Alle Menschen unter seinem Willen. Niemand wäre mehr frei in seinen Gedanken und seinem Handeln.“
„Du redest …“ Caspar stockte und schwieg. Simons Worte hatten ihn überrascht und zum Nachdenken gebracht.
Auch die anderen blickten betroffen zu Boden.
Rasch redete Simon weiter: „Menschen ihren Willen zu nehmen und ihre Freiheit – das ist auch eine Form von Gewalt. Ich sage bestimmt nicht, dass die Welt gut ist, so wie sie ist. Aber niemandem ist geholfen, wenn nur ein Mensch Macht über alle hat. Nicht einmal im Dienst des Friedens.“ Er blickte sich um. „Erinnert euch doch nur einmal an die Menschen, die euch wichtig waren im Leben. Waren sie hasserfüllt und gierig? Oder habt ihr nicht vor allem Liebe erfahren und Mitgefühl? Natürlich gibt es Menschen, die nur an sich denken, die Kriege anzetteln, um ihre Ziele durchzusetzen. Aber es gibt eben auch die anderen. Die, denen Freundschaft wertvoll ist und die füreinander da sein wollen. Ich bin sicher, dass diese Menschen in der Überzahl sind.“
Betroffenes Schweigen war die Antwort. Und so setzte Simon nach: „Stellt euch doch einmal ein Leben vor, in dem die Freiheit nicht mehr zählt. In dem euch gesagt wird, was ihr zu tun oder zu denken habt. Ein Leben, in dem für dich entschieden wird, statt dass du selbst entscheidest. Ist es wirklich das, was ihr wollt?“
Caspar spielte nervös an seinem Messer. Moon ballte die Fäuste und öffnete sie wieder, nur um sie im selben Moment wieder zu ballen. Simon sah jedem einzelnen Zeitenkrieger an, wie er mit sich kämpfte. Nach allem, was ihnen geschehen war, klang das Versprechen von einer Welt des Friedens zu verheißungsvoll.
Simon trat einige Schritte zurück. Er stellte sich an den Bug, dorthin, wo vorhin der Schattengreifer in seine Welt zurückgegangen war. Der Junge streckte einen Arm aus und betonte jedes Wort, als er sagte: „Ich möchte den Kampf gegen den Schattengreifer weiter ausfechten. Ich möchte für die Freiheit
eintreten. Doch allein habe ich Angst. Ich brauche euch an meiner Seite. Ich … ich will euch nicht verlieren. Bitte: Wer geht mit mir?“
Moon öffnete und schloss noch immer grübelnd seine Fäuste. Neferti und Nin-Si vergruben sich in ihren Gedanken, vielleicht sogar in ihren Erinnerungen. Jeder von ihnen erforschte sein Herz.
Salomon war
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