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Der Zeitenherrscher

Titel: Der Zeitenherrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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deinen Blick auf die Fackeln am Mast“, riet Simon. „Schau nicht nach hinten! Konzentriere dich auf …“
    Etwas fauchte hinter ihnen, und ein Donner grollte. Wie im Reflex drehten die beiden sich um. Sie erblickten den Schattengreifer, wie er, noch immer zwischen den Klippen stehend, die Hand nach ihnen ausstreckte. Ein unheimliches Licht umgab seine Klaue. Ein anderes Licht als das, vor dem sie im Wald geflüchtet waren.
    Simon verstand sofort. Der Magier hatte zwischen den Bäumen tatsächlich nur mit ihnen gespielt. Jetzt aber machte er ernst. Das Licht, das sich gerade in seiner Hand bildete, stellte die größte Bedrohung für die beiden Flüchtenden dar. Wollteer sie betäuben, um sie mit sich zu nehmen? Oder hatte er es sich doch anders überlegt und gar Schlimmeres mit ihnen vor?
    Das Licht in seinen Händen dehnte sich aus. Es wurde heller, und plötzlich schoss es als gleißender Strahl auf Simon und Neferti zu. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihre Körper. Die beiden schrien auf. Ihre Beine waren plötzlich wie gelähmt. Als wären ihre Füße tief im Meeresboden versunken, standen Simon und Neferti hilflos im Meer und kamen nicht voran. Gleichzeitig spürten sie, wie eine gewaltige Kraft tief in ihrem Inneren anschwoll.
    Neferti geriet in Panik. „Was ist das?“
    Simon packte sich ängstlich an die Brust. „Ich … ich weiß nicht …“
    Der Zauber des Schattengreifers nahm ihnen alle Kraft, gerade so, als weiche alles Leben in ihnen der Magie, die sich in ihren Körpern ausbreitete.
    Die kleine Krähe kam vom Seelensammler zu ihnen geflogen. Sie drehte eine Schleife über den beiden, dann flog sie zu den Klippen. Sie schrie, sie kreischte, so, als wolle sie auf den Schattengreifer einreden. Doch der Magier schenkte ihr keine Beachtung. Er hielt die Klaue ausgestreckt und kam langsam die Klippen herunter, in der Gewissheit, die beiden Flüchtenden in seiner Gewalt zu haben und sie in wenigen Minuten endlich seiner Rache auszuliefern zu können.
    Das Gefühl in Simon weitete sich aus. Schon glaubte er, sein Kopf müsse zerplatzen. Neferti packte sich an die Stirn. Ihr erging es wohl ebenso.
    In dem Gesicht des nahenden Schattengreifers spiegelte sich wieder blanke Wut. Er schien zu allem bereit. Nie zuvor hatteSimon eine vergleichbare Fratze gesehen. Eine Fratze rasender Wut.
    „Wir … schaffen … das … niemals … zum … Schiff!“ Neferti keuchte. Auch in ihr schien alles zum Bersten bereit.
    Simon griff nach ihrer Hand und versuchte noch einmal, auf das Schiff zuzugehen, doch vergeblich. Sie steckten fest. Gefangen in der Magie des Schattengreifers, der Schritt um Schritt näher auf sie zukam.
    Der Druck in ihren Körpern war jetzt unerträglich geworden. Simon war sich augenblicklich sicher, dass der Schattengreifer ihnen nach dem Leben trachtete. Und wie zu einem allerletzten Gruß – wie zum Abschied – hob Simon die Hand und streckte sie dem Seelensammler entgegen. Dem Schiff, das beinahe zum Greifen nah, aber doch für die beiden Freunde unerreichbar fern, vor ihnen auf dem Meer wartete. Und seinen Freunden, die hilflos und ohnmächtig an der Reling um sie bangten.
    Doch in diesem Moment kam plötzlich Leben in das Schiff. Der Seelensammler regte sich. Simon glaubte schon zu halluzinieren, doch tatsächlich: Der Flügel an der Bordwand bewegte sich. Erst wippte er leicht auf und ab, dann plötzlich krümmte sich der Flügel vor den überraschten Augen der Freunde.
    Und nicht nur das. Der Schnabel des Krähenkopfes am Bug öffnete sich. Mit einem gewaltigen, ohrenbetäubenden Schrei drehte sich der Krähenkopf. Die Bugfigur wandte sich langsam um und schaute mit ihren flammenden Augen in die Richtung von Simon und Neferti. Ein Ruck ging sichtbar durch das gesamte Schiff. Die Holzflügel wurden in die Höhe geworfen, und der Bug richtete sich auf, gerade so, als wolle die Krähe davonfliegen. Der gesamte vordere Bereich bäumte sich so weit auf, dass Simon den Kiel des Schiffes sehen konnte.
    Die Ägypterin schrie auf. Auch Simon rang nach Fassung. Doch in diesem Moment ließ der Druck in ihnen urplötzlich nach.
    Simons Kopf wirbelte herum. Der Schattengreifer stand völlig irritiert am Ufer und blickte auf das Schiff.
    Simon verstand sofort. Es war nicht der Zauber des Magiers, der den Seelensammler zum Leben erweckt hatte. Ganz im Gegenteil: Das Schiff erhob sich gegen den Schattengreifer, um Simon und Neferti beizustehen. In diesem Augenblick richtete sich die Schöpfung gegen

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