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Der Zeitenherrscher

Titel: Der Zeitenherrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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ausspionieren, ohne an Bord zu sein. Es reicht ein Blick durch die Augen der großen Krähe.“
    Der kleine Vogel sah sich um. „Wo ist Simon? Wo ist Neferti?“
    Moon machte ein bedrücktes Gesicht. „Sie sind noch an Land. Ich hoffe nur, sie finden den Weg hierher.“Simon blickte sich suchend um. Wo mochte sich nur der Seelensammler befinden? Aus welcher Richtung waren sie gekommen? Er trug sie weiter um die Stadtmauer herum, nur wenige Schritte von der brüllenden Meute entfernt. Ein riesiger Tumult war entstanden. Sie schrien sich an und beschimpften sich. Jeder machte den anderen dafür verantwortlich, dass die Gefangenen entkommen waren. Die Leute waren so mit sich selbst beschäftigt, dass in dieser Nacht wohl kein Mensch mehr brennen würde.
    Endlich erkannte Simon den Torbogen. Jetzt wusste er wieder, wo er sich befand, und vor allem, in welcher Richtung das Schiff lag. So schnell er konnte, durchquerte er mit dem Mädchen den Wald. Er keuchte. Nefertis Gewicht wog immer schwerer in seinen Armen. Doch er würde sie nicht enttäuschen. Er wollte sie weiter tragen, weg von dieser Stadt, wenn es sein musste, bis zu dem Schiff. Er würde ihr beistehen, bis sie wieder zu Bewusstsein kam.
    Plötzlich stieß er mit einem Fuß gegen eine Wurzel. Er verlor das Gleichgewicht und kippte vornüber. Instinktiv drehte er sich noch auf die Seite, dann fiel er auf die Erde, und Neferti landete auf seinem Oberkörper.
    Sein Bein schmerzte. Doch der Ägypterin war nichts geschehen. Simon seufzte erleichtert. Das war das Wichtigste.
    Er setzte sich auf und hielt ihren Kopf in seinem Schoß. „Neferti!“
    Eine Träne fiel aus seinem Auge auf ihr Gesicht. Er legte eine Fingerspitze darauf und wischte ihr mit dem kleinen Tropfen etwas von dem Blut von ihrer Haut. Mit der anderen Hand fing er eine zweite Träne und wischte damit erneut Blut aus Nefertis Gesicht. Wieder einmal fiel ihm auf, wie schön sie war.
    Er beugte sich vor. Seine Hand strich ihr übers Gesicht, und mit den Lippen berührte er ihre Stirn. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er ein Mädchen küsste. Bisher hatte ihn das alles nicht interessiert.
    „Danke!“, hauchte sie leise, und Simon riss die Augen auf.
    „Du lebst wieder!“
    „Hast du daran gezweifelt?“ Sie lachte ihn an, verzog aber sofort wieder das Gesicht.
    „Schmerzen?“, erkundigte sich Simon.
    „Es geht schon. Katzen erholen sich schnell.“
    „Katzen. Ja.“ Simon schüttelte bewundernd den Kopf. „Deine sieben Leben. Das war überaus tapfer und mutig von dir.“
    „Wie geht es Salomon?“
    „Du hast ihn gerettet. Er konnte fliehen. Dank deiner List und all der Schmerzen, die du ertragen musstest.“
    „Wenn er gerettet ist, war es das wert“, gab sie zur Antwort.
    Simon zog eine Hand unter ihrem Kopf hervor. Er fischte etwas aus seiner Hosentasche. „Es gibt da etwas, das dich vielleicht tröstet“, sagte er und hielt ihr das goldene Stirnband vor die Augen.
    Nefertis Gesicht hellte sich auf. „Mein Band!“, sagte sie. „Wie hast du es zurückbekommen?“
    Simon grinste frech: „Sagen wir so: Die Stadtwache sollte das nächste Mal aufmerksamer sein, wenn sie sich mit uns anlegt. Ich konnte dem Mann das Band in letzter Sekunde aus der Tasche ziehen, bevor ich vor ihm davongelaufen bin.“
    „Du bist ein Dieb!“, lachte sie.
    „Nicht der einzige in dieser Stadt, die ich nie wieder betreten möchte“, gab er lachend zurück.
    „Ich danke dir, Simon. Das ist wirklich ein großer Trost für mich.“
    Er legte ihr vorsichtig das Band an, nahm noch einmal seinen Mut zusammen, beugte sich zu ihr nach vorn und küsste sie erneut auf die Stirn, direkt unter das goldene Band.
    Sie lächelte ihn an. Dann zog sie sein Gesicht zu sich herunter und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Ich danke dir noch einmal“, sagte sie. „Du hast mich gerettet. Ich habe nur noch dieses eine Leben. Wenn mich diese Meute ein zweites Mal in die Finger bekommen hätte, hätte ich es vielleicht nicht überstanden.“
    Simon erschrak. An diese Möglichkeit hatte er gar nicht gedacht.
    „Ab sofort musst du besser auf dich Acht geben“, sagte er, dann zeigte er zum Wald. In die Richtung, in der das Schiff wartete. „Wir sollten aufbrechen. Lass uns zu dem Seelensammler zurückgehen. Die anderen brauchen uns.“ Er half ihr auf die Beine. „Geht’s?“
    Neferti nickte. „Wir können ja langsam gehen.“
    Simon wollte ihr gerade zustimmen, als sich eine schnarrende Stimme hören

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