Der Zeitläufer
geworden.
»Wir werden gegen diesen verdammten Schwarm kämpfen!« rief sie.
Opal schwamm zu den Gärten und stahl sich dort ihren Anteil an der Ernte. Sie machte ein Floß aus ihren Melonen und ließ sich von der Flut treiben. Am westlichen Horizont glomm noch ein schwacher Schimmer, als sich ein dunkler Umriß direkt in ihrer Spur abzeichnete.
Eine Insel war es nicht, wenn es auch Bäume und Ranken, Blätter und Sand gab. Sie machte ihr Floß fest und stieg hinauf. An einem Ende fand sie eine kleine Anhöhe, doch als sie hinaufstieg, sah sie, daß sie ausgehöhlt war. Innen glühten Ornamente, und auf dem Boden lagen kleine Gegenstände zwischen Tang und allerlei Unrat.
Die Rorqual zitterte, als sie nackte Füße spürte. Sie wollte ihrer Freude Ausdruck geben und warf der Frau ein kleines Werkzeug vor die Füße. Opal hob es auf. Jetzt war sie neugierig geworden. Und nun bemerkte sie, daß sich ihre Insel bewegte! Sie fluchte und rannte zu ihrem Melonenfloß.
Clam, ihr Ältester, hielt nach ihr Ausschau und kam ihr entgegen. Er traf erst den Lauscher, dann fand er seine Mutter. Sie erzählte ihr Erlebnis.
»Eine Insel war das nicht«, sagte der Lauscher. »Es ist Leviathan, eine Kreatur, die Krill für den Schwarm sammelt. Am Rücken seines Panzers hat er einen Raum, in dem Maschinen sind. Diese Maschinen sind das Gehirn und die Muskeln des Tieres. Der Schwarm konnte es überall dorthin lenken, wo er es brauchte. Wir wissen nicht, wie sich diese Kreaturen fortpflanzten.«
»Ein Seetier, das vom Schwarm kontrolliert wird«, murmelte Opal. Der Gedanke gefiel ihr ganz und gar nicht.
Im Biolabor kämpften einige Wissenschaftler mit Daten über ausgestorbene Spezies.
Laborhelfer Harry brachte neue Proben zur Untersuchung.
»In dem winzigen Röhrchen ist ein alter Otolith«, sagte der Biotechniker.
Wandee, seine Kollegin, beugte sich über blubbernde Tanks. »Hier, schau mal«, rief sie ihm zu. Harry lehnte sich über ihre Schulter.
»Algen?« fragte er.
»Nein. Ein Geißeltierchen, nur ohne Geißel. Die Natur hat die Gene des Tierchens nicht damit ausgerüstet. Fünf Prozent Mutationen. Der Kode ist glatt aufgebrochen.« Sie ging mit Harry zum Röhrchen, das den fossilen Otolith enthielt. Den musterte sie gründlich.
»Das ist kein Fossil!« erklärte sie atemlos vor Spannung. »Das ist ein Lebewesen aus unserer Zeit.«
»Ausgeschlossen!«
Sie musterten das Tierchen unter dem Elektronenmikroskop. Die Isotope waren neuesten Datums.
»Ich weiß, daß es ausgeschlossen ist«, sagte sie. »Aber kürzlich war doch tatsächlich im Kanal ein richtiger, lebendiger Knochenfisch. Das, was den Tod der See veranlaßt hat, scheint nicht mehr wirksam zu sein.«
»Es geht aufwärts«, meinte Harry. »Draußen gibt es jetzt eine Menge Nahrung.«
»Wer wird sie ernten?«
Ein Bote in orangefarbener Uniform rüttelte den Großmeister Ode wach.
»Was willst du denn?« fragte Ode.
»Dich, Captain, Sir«, antwortete der Bote und reichte Ode einen Kapitänsanzug. »Du bist zum Kommandanten bestimmt worden. Regierungsbefehl. Wir sammeln Plankton mit der Rorqual Maru .«
Es waren lauter junge Gesichter, die ihn umgaben. Seine ganze Mannschaft bestand aus Milchbärten. Er zog den Anzug an und befestigte den breiten, reichverzierten Gürtel. Warum war er, der Großmeister, zum Kapitän eines ehemaligen Walfängers bestimmt worden? Weil er das Schiff zuerst gesehen hatte?
»Na, viel Glück denn«, sagte Drum, der kahlköpfige Nebisch, der sich schon in jungen Jahren aus dem Erwerbsleben hatte zurückziehen können.
»So lache doch«, forderte ihn Ode auf. »Es ist eine Ehre, das erste Schiff in die See zurückzuführen, wohin es gehört. Ein stolzer Tag für den Schwarm! Mehr Nahrung für alle. Und man wird nach dem Muster der Rorqual auch wieder Schiffe bauen.«
»Sei aber vorsichtig«, warnte Drum. »Du bist ja nicht an die frische Seeluft gewöhnt. Heutzutage weiß doch keiner mehr etwas über den Ozean ...«
Kapitän Ode winkte seinem Freund gutmütig zu und marschierte mit seiner Mannschaft ab.
Wenige Tage später hatte der Kapitän sechs seiner Männer durch eine Agoraphobie verloren, und ein gutes Dutzend litt an Spannungsirresein.
Aber die Rorqual hielt sich großartig. In ihren Lagerräumen befanden sich schon mehr als hunderttausend Tonnen Nahrungsmittel für den Schwarm.
Da brachte man ihm einen Benthik, den man mit dem Netz gefangen hatte. Der Kapitän sah, daß er ein nackter, primitiver
Weitere Kostenlose Bücher