Der zerbrochene Himmel
an.«
Innerhalb einer halben Stunde erklärte Gorgerino ihm alles, auch wie man auf etwas zielt. Danach kehrten sie ins Arbeitszimmer zurück.
»Jetzt machen wir es wie die Spartaner«, sagte Gorgerino.
»Erinnerst du dich an das, was ich dir gesagt habe? Die Spartaner waren immer nackt.«
Er legte seinen Morgenmantel ab. Darunter hatte er nichts an, nicht einmal Unterhosen. Er war so behaart, daß er ein Bär hätte sein können.
»Zieh auch du dich aus. Oder schämst du dich?«
»Nein.«
Gorgerino setzte sich aufs Sofa und betrachtete Michelino beim Ausziehen.
Dann sagte er: »Komm zu mir auf den Schoß.«
Er legte den linken Arm um ihn und hielt ihn fest, während er die rechte Hand auf das Vögelchen legte. Eine Weile blieb er in dieser Haltung, dann begann er, sonderbar zu reden.
» Feugein dei ton Erota. Chenos ponos ou gar aluxo …«
»Was sagen Sie da?«
»Das ist Griechisch, Michilì. Es ist das Gedicht eines Mannes, der Archias von Antiocheia hieß. Und die Worte bedeuten: ›Fliehen muß man vor Eros. Das ist ein Wort!‹«
»Und wer ist Eros?«
»Eros war der Gott der Liebe.«
»Und warum muß man vor ihm fliehen?«
»Michilì, ich fliehe ja nicht.«
Er seufzte, er nahm in die zur Röhre geschlossene Hand das Vögelchen und fing an, die Haut vor- und zurückzuschieben. Michilino atmete nicht, das war so abgemacht, er hatte ja schon mit der Beretta gespielt. Nach einer kleinen Weile fragte Gorgerino: »Deiner wird noch nicht steif?«
»Was heißt das?«
»Geh mal runter. Schau.«
Zwischen Gorgerinos Beinen kam eine Art Ast zum Vorschein.
Michilino sah ihn verblüfft an.
»Kann meiner auch so werden?«
»Sicher. Aber jetzt tu mir einen Gefallen. Leg dich bäuchlings über den Sessel. Ja, genau so. Halt. Und schau nicht her, bis ich es dir sage.«
Gorgerino blieb stehen, zwei Schritte vom Sessel entfernt, kurze Zeit darauf hörte Michilino, wie der Atem des Professore immer heftiger wurde, bis er sich schließlich in eine Art Klage verwandelte, ganz so wie bei Mamà in manchen Nächten.
»Nun kannst du dich umdrehen.«
Gorgerino, der wieder seinen Morgenmantel angezogen hatte, steckte ein durchnäßtes Tuch in seine Tasche.
»Jetzt machen wir mit den Spartanern weiter.«
Heilige Maria, wie Michilino die Spartaner mochte! Und er hatte das Glück, wie ein spartanischer Junge erzogen zu werden, der im Alter von sechs Jahren der Mutter genommen und einem Lehrer übergeben wurde, der ihn den Umgang mit Waffen lehrte, genau so, wie es ihm bei Gorgerino erging. Und dann, wenn er zwanzig wäre, würde er Soldat, und das bliebe er sein Leben lang, auch wenn er heiratete und Kinder hätte. Und dann gab es da noch den Gehorsam, den Gorgerino Disziplin nannte, und die Hierarchie, wie auch Gorgerino sie nannte, was bedeutete, daß es einen Führer, mehrere Unterführer, mehrere Unterunterführer gab, die kommandierten, und alle anderen unterstanden ihrem Befehl. Und er würde einmal ganz sicher wenigstens ein Unterunterführer werden.
Am selben Abend, als er mit dem geschulterten Karabiner nach Hause ging, sah er, daß Totò Maraventano, der Schneider, dieser große Drecksstinker von Kommunist, ihm entgegenkam. War der denn nicht im Gefängnis? Maraventano ging mit gesenktem Kopf, mit den Händen in den Taschen, doch vier Schritte vor Michilino blickte er auf, sah ihn, und ein Grinsen trat auf seine Lippen.
»Bring das Ding da Mussolini, Balillakleiner.«
Und furzte ihm mitten ins Gesicht. Michilino machte angesichts dieser Beleidigung einen Satz nach hinten und blickte sich um. Keiner merkte etwas von dem, was sich da abspielte, es war die Zeit des Abendessens, und die Leute hatten es eilig.
»Wenn ich erwachsen bin, bring ich dich um«, sagte Michilino leise.
»Du fängst ja gut an, Balillakleiner! Aber Mussolini wird schon dafür sorgen, daß du in irgendeinem Krieg umkommst, wenn du erst mal erwachsen bist.«
Und er ging weiter. Michilino setzte seinen Weg nach Hause fort, aber er spürte, daß er ganz verschwitzt war, in seinem Körper war so etwas wie ein Zittern. Doch diesem Kommunistenschwein hatte er wie ein echter Faschist und ein echter Spartaner geantwortet.
Beim Essen fragte er Papà: »Maraventano, der Schneider, ist wieder aus dem Gefängnis?«
»Wieso fragst du mich das?«
»Weil ich ihn auf der Straße getroffen habe.«
»Hat er irgendwas zu dir gesagt?«
»Nein. Was hätte er mir schon sagen
Weitere Kostenlose Bücher