Der zerbrochene Himmel
geschlossen war.
»Wer diese Angelegenheit entscheidet«, sagte sie kalt, »ist Padre Burruano. Und damit Schluß.«
Gegen Mittag ging Michilino zur Wohnung von Signorina Pancucci, doch die Tür war zu und niemand antwortete. Michilino bemerkte, daß über dem linken Türflügel, dem, der immer zublieb, eine große Schleife aus schwarzem Stoff angebracht war, zum Zeichen der Trauer, da in dieser Wohnung jemand verstorben war. Er ging die Treppe hinunter und klopfte bei Dottor Cusimano. Die Frau des Dottore sagte ihm, daß die Trauerfeier für Adilaida in der Friedhofskapelle am nächsten Tag um zehn stattfinden und die Lehrerin den Unterricht am Dienstag wieder aufnehmen würde. Mamà wollte zum Friedhof gehen, sie meinte, es sei nur angemessen, daß er seiner Lehrerin sein Beileid ausspreche. Michilino hatte der Friedhof gut gefallen, als sie ihn am zweiten November dort hingebracht hatten, um den Toten zu danken, die ihm in der Nacht Geschenke gebracht hatten. Er ließ Papà und Mamà an dem Grab stehen – sie nahmen die verwelkten Blumen weg und wischten den Staub von den Porträts –, während er selbst sich daran machte, über alle Wege zu streifen. Immer wieder blieb er vor Gräbern stehen, in denen ein kürzlich Verstorbener lag, den die Verwandten ringsum noch beweinten und für dessen Seele sie Gebete sprachen. Einmal, da war er fünf Jahre alt, sah er, wie eine Frau vor einem Grabstein aus Marmor, in den das Foto eines kleinen Jungen eingelassen war, ohnmächtig wurde. Dieser Junge war gerade erst gestorben. An diesem Sonntag morgen gingen sie, um zur Friedhofskapelle zu gelangen, durch eine menschenleere Allee, und plötzlich blieb Mamà stehen.
»Wir nehmen die andere Allee«, sagte sie.
Michilino sah, daß vor einem Grab Signora Clementina Sucato stand, die, die sich mit Mamà gezankt hatte. Die Witwe weinte und schlug sich an die Brust. Michilino ging, aufs äußerste gespannt, mit herumgedrehtem Kopf weiter, denn er wollte sie nicht aus den Augen verlieren.
»Schau nicht zu ihr hin, dieser Stinkschlampe!« sagte Mamà nervös. »Jetzt spielt sie die verzweifelte Witwe, aber als ihr Mann noch lebte, da hat sie ihm so viele Hörner aufgesetzt, daß der arme Mann aussah wie ein kastrierter Hammel!«
Es war nur ein Augenblick, und die Erinnerung an die feuchte Wärme der Wunde zwischen den Beinen der Witwe zusammen mit dem Anblick ihrer Tränen machten, daß er einen Ständer bekam, ganz genau wie wenn Mussolini redete.
Vom Friedhof aus, beschloß Mamà, wollte sie zu Padre Burruano gehen, denn sie wollte dem Pfarrer von der Angelegenheit mit dem Filmtheater erzählen. Padre Burruano war beschäftigt, er hatte eine Hochzeit und eine Taufe. Er sagte, daß man die Frage des Filmtheaters in aller Ruhe überlegen müsse. Ob Mamà einverstanden wäre, wenn er am nächsten Tag gegen halb fünf nachmittags zu Hause vorbeikäme? Mamà sagte ja.
Am Montag ging er wie gewohnt fort, mit dem Tornister und dem Bereitschaftsgewehr. Er hatte Mamà nicht gesagt, daß die Lehrerin keinen Unterricht erteilte. Er gelangte im Laufschritt in die Via Berta, tauschte das Gewehr aus, und wieder im Laufschritt eilte er, um vor der Schneiderei Stellung zu beziehen.
Als er den Hauseingang durchschritt, sah er, daß da ein Mann mit heruntergelassener Hose hockte.
»Erschieß mich nicht, Ballila!« sagte der Mann lachend.
»Einmal kacken zieht ja nicht gleich die Todesstrafe nach sich.«
Michilino ging hinaus und kam nach einer Weile wieder zurück. Niemand war mehr da, doch der Gestank hatte mumifizierende Wirkung. Da erst merkte er, daß die Schneiderei geschlossen war.
Er staunte. Wieso war die Tür zu dieser Zeit verriegelt? Wohin waren Vater und Sohn gegangen? Zwei Stunden wartete er vergebens und mußte irgendwann Pipì machen, damit ein Mann, der hereingekommen war und sich die Hose aufknöpfte, keinen Verdacht schöpfte. Er kehrte wütend nach Hause zurück. Das war vielleicht der einzige freie Tag, den er hatte, und es war ihm nicht gelungen, das zu tun, was er tun mußte.
Als er klopfte, öffnete Mamà ihm sofort.
»Ist Padre Burruano gekommen?«
»Er ist gekommen«, sagte Mamà, die einen finsteren Gesichtsausdruck hatte, unfreundlich. »Er ist gekommen und wieder gegangen.«
»Habt ihr denn über das Filmtheater gesprochen?«
»Er hat gesagt, du kannst alleine da hingehen, wenn du es verdient hast. Er sagte, daß die Filme, die du dir ansehen kannst, Tarzan
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