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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Augenblick sah er, daß Papàs rechte Hand verbunden war.
    »Papà, was ist mit deiner Hand passiert?«
      »Nichts, eine Lappalie. Ich bin gestürzt und hab' mir weh getan. Nichts Schlimmes.«
      Nicht nur Padre Burruano, sondern auch Papà war also gestürzt.
    »Ich gehe heute nicht zum Unterricht«, verkündete Michilino.
      »Und ob du dahin gehst«, sagte Papà. »Morgen oder übermorgen kommst du sowieso nach Hause zurück. Ich spreche mich mit Stefano und Ciccina ab, und dann steht die Sache.«
    Michilino machte vor Zufriedenheit einen Luftsprung.
    »Wirklich? Und ist dann auch Mamà da?«
    Alle wurden still und blickten Papà an.
    »Michilì, deiner Mutter geht es nicht gut, und sie will daher lieber auf dem Land bei Nonno Aitano und Nonna Maddalena bleiben. Sobald sie wieder auf den Beinen ist, kommt sie nach Hause. Und wir werden da sein und sie erwarten.«
      Auf dem Weg zum Haus der Lehrerin Pancucci dachte Michilino noch einmal über die Sache nach. Nein, sie erzählten ihm nicht die Wahrheit. Mamà mußte schwer krank sein. Denn wenn nicht, was sprach dagegen, einfach in den Lancia Astura von Nonno Aitano zu steigen und sie auch nur für eine halbe Stunde zu besuchen? Wenn es stimmte, daß er am nächsten Tag mit Papà nach Hause zurückkehrte, würde er sicher in der Lage sein, etwas aus ihm herauszubekommen.
      Abends, als sie bei Tisch saßen und Michilino sich schwertat, weil ihm die Lust am Essen vergangen war, was er aber nicht zeigen wollte, sagte Onkel Stefano: »Michilì, dein Vater, ich und Ciccina haben eine Entscheidung getroffen. Weil deine Mutter Ernestina noch eine Weile braucht, um wieder gesund zu werden, kehrst du zwar wieder nach Hause zurück, aber meine Tochter Marietta geht mit und wird bei euch wohnen, bis die Dinge wieder in Ordnung sind. So kann sich Marietta um dich kümmern. Meine Tochter ist einverstanden, ja, sie freut sich sogar, wenn sie bei dir sein kann. Was sagst du dazu?«
    »Ich freue mich auch.«
      Während Marietta ihn auszog, bemerkte Michilino, daß seine Cousine ein Gesicht zog, das nervös und ausdruckslos war.
      »Wenigstens das Nachthemd kannst du dir wohl selbst anziehen«, sagte sie und warf es ihm aufs Bett.
      Michilino versuchte es, vertat sich aber beim Ärmel, und mit zwei unfreundlichen Bewegungen brachte Marietta es in Ordnung. Kaum hatten sie sich hingelegt, umarmte Michilino sie von hinten.
    »Sagst du mir, was du hast?«
    Mit einem Stoß ihres Hinterteils drängte Marietta ihn von sich weg. Michilino umarmte sie fester, und diesmal rührte sich seine Cousine nicht.
      »Was ist, sagst du's mir? Magst du denn nicht mit zu uns nach Hause kommen?«
      »Natürlich mag ich das. Aber dein Vater hätte mir nicht sagen dürfen, daß er mich für die Unannehmlichkeit bezahlt. Ich wäre auch umsonst gekommen. Und mein Vater, der immer Geld braucht, sagte daraufhin, einverstanden, und sie einigten sich auf den Preis.«
    »Warum tut dir das leid?«
      »Weil ich mich so wie ein Hausmädchen fühle, wie eine Magd.«
      »Was heißt denn hier Magd? Du bist doch weiterhin meine Cousine!«
      Und in diesem Augenblick dachte er: Wenn sein Vater und Onkel Stefano Verträge wegen Marietta geschlossen hatten, bedeutete das, daß Mamà ganz sicher nicht vor einem Monat zurückkommen würde.

    Im Haus fand er ein paar Dinge verändert vor. Im Eßzimmer fehlten die Scheiben in der Kredenz. Das bedeutete, daß sie zerbrochen waren und noch keine Zeit gewesen war, sie zu ersetzen. Das Radio stand zwar an seinem Platz, aber es fehlten alle Schallplatten mit den Canzonen, die Mamà so mochte.
      Und von den Schallplatten mit den Reden Mussolinis waren nur noch drei vorhanden und eine war zudem zerbrochen. Im Wohnzimmer waren das Sofa und die beiden Sessel ausgewechselt worden, die Möbel, die jetzt da standen, waren dunkelgrün und ganz neu, vielleicht sogar noch nie benutzt. Im Schlafzimmer war alles wie gewohnt.
    »Weil dein Vater wegen seiner Arbeit spät in der Nacht nach Hause kommt und, wenn er dann kommt, Angst hat, er könnte dich aufwecken, will er, daß wir beide gemeinsam in der Kammer schlafen, in der einmal das Hausmädchen geschlafen hat.«
      Sie wurde still und sehr ernst und sagte dann: »Siehst du, ich hatte es geahnt. Dein Vater meint, ich wäre eine Magd.«
      »Dann würde das ja bedeuten, daß ich, wenn ich bei dir schlafe, ein Knecht bin.«
      Marietta fing an zu lachen, ihr langes Gesicht verschwand, sie ging in

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