Der zerbrochene Kelch
hinunter und starrte auf dessen Klumpfuß.
Eliadis’ Gesicht verzog sich zu einer bösen Grimasse, als er Mansfields Zögern bemerkte. »Nun schlagen Sie mich schon endlich, verdammt! In Athen wollte man mich verprügeln, weil ich ein Krüppel bin, und Sie machen genau das Gegenteil und wollen mich aus demselben Grund schonen. Na los, schlagen Sie mich.«
Mansfield tat ihm den Gefallen. Eliadis fiel neben dem Baum zu Boden und hielt sich sein schmerzendes Kinn, während Mansfield schwer atmend über ihm stand.
»Lassen Sie die Hände von Karen, sonst können Sie Gift darauf nehmen, dass mir Ihr kranker Fuß völlig egal ist!«
Eliadis beäugte Mansfield von unten her und bemerkte, dass dieser hauptsächlich auf seinem rechten Bein stand, um das linke zu schonen. Er schlussfolgerte eine Verletzung und trat gegen Mansfields linken Oberschenkel. Mansfield fiel zu Boden. Schmerzverzerrt presste er seine Hände auf das linke Bein und stöhnte auf.
»Sehen Sie, ich nehme auch keine Rücksicht auf Ihr verletztes Bein!«, schnaubte Eliadis.
Mansfield griff nach einem Ast neben sich, legte ihn blitzschnell Eliadis auf die Kehle und drückte leicht darauf.
»Sie sind kein Gegner für mich, also lassen Sie Karen in Ruhe«, flüsterte er Eliadis ins Ohr und ließ ihn einige lange Sekunden in der Falle zappeln. Doch plötzlich glitzerte eine Klinge vor ihm auf, und Mansfield spürte kalten Stahl an seiner Kehle. Er hob vorsichtig den Kopf, um dem Druck der Klinge auszuweichen.
Beide Männer atmeten schwer. Beide zögerten.
»Unterschätzen Sie niemals einen Krüppel«, zischte Eliadis, ehe er die Klinge im Zeitlupentempo sinken ließ. Mansfields Augen folgten dem Messer, während er gleichzeitig den Ast von Eliadis’ Kehle nahm und ihn zur Seite warf. Er fasste sich an den Hals und massierte die Druckstelle, an der das Messer gelegen hatte.
»Ich mag keine Messer«, sagte Mansfield. Er ließ sich nach hinten fallen und stützte sich mit den Ellbogen auf dem harten Sand ab. »Machen Sie das nie wieder, verstanden?«
Eliadis lag noch immer schwer atmend vor ihm und tat das Messer wieder in sein Versteck am rechten Bein. Dann sagte er lächelnd: »Ich habe Sie trotzdem besiegt, Mansfield. Geben Sie’s zu.«
Mansfields Oberschenkel schmerzte, und er war über den jungen Griechen verärgert, aber er merkte auch, wie wichtig diesem der Sieg war, und gab sich einen Ruck.
»Ja, das haben Sie. Und jetzt helfen Sie einem verletzten Mann auf.« Er hielt dem schmächtigen Eliadis die Hand hin, der ihn mit einem verlegenen Lächeln hochzog.
»Entschuldigung, ich wollte Sie nicht …«
»Schon gut. Ich bin okay.«
Sie klopften sich den Sand aus der Kleidung und humpelten gemeinsam die Felsen hinauf zur Nationalstraße.
Eliadis warf einen kurzen Blick zu Karens Hütte, wo plötzlich alle Fenster geschlossen waren. »Weswegen sind Sie eigentlich so kopflos losgerannt? Hatten Sie Stress mit Karen?«
»Ja«, antwortete Mansfield kurz angebunden. »Kommt mal vor.«
»Sicher.« Eliadis merkte, dass er nicht weiterfragen sollte, und so gingen sie schweigend ins Camp zurück.
Sie waren gerade bei seiner Hütte angekommen und Mansfield wollte sich mit einem einfachen Handzeichen von ihm verabschieden, als genau in dem Augenblick in Karens Hütte ein Schlüssel demonstrativ laut in der Haustür herumgedreht wurde.
Die beiden Männer starrten auf die verschlossene Hütte, die jetzt wie eine kleine Festung vor ihnen stand.
Eliadis warf Mansfield einen zweifelnden Blick zu. »Sieht fast so aus, als ob Sie heute Nacht kein Zuhause hätten.«
»Ja, scheint so.«
»Kommen Sie. In meiner Hütte ist noch ein Gästebett frei.«
Mansfield klopfte sich den Rest Sand aus den Klamotten. »Das wäre nicht schlecht.«
53
Eliadis stand am Fenster seines Wohnzimmers und betrachtete nachdenklich das sonnenbeschienene alte Pleis-tos-Tal, während Mansfield hinter ihm an einem Tisch Platz genommen hatte und eine Tasse Kaffee trank. Sein Gast hatte keinen Hunger auf ein Mittagessen und aß nur einige Oliven, die er ihm in einem Keramikschälchen hingestellt hatte.
Eliadis’ Gedanken kreisten um den letzten Satz, den Mansfield gerade gesagt hatte, und er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte, dass dieser Delphi verlassen wollte, oder ob es besser wäre, wenn er noch eine Weile hierbliebe. Er drehte sich zu ihm um. »Sie wollen wirklich abreisen?«
»Ja.«
»Aber warum kämpfen Sie nicht um sie? Ich hätte Sie anders eingeschätzt.
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