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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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Koma, ich war nur in einem Schockzustand.« Mansfield fuhr sich über die trockenen Lippen. Noch immer meinte er den kalten Revolverlauf in seinem Mund zu spüren und das Metall zu schmecken. Er würde diese Erinnerung wohl nie loswerden, die Todesangst in dem Augenblick, in dem er dachte, dass der Kerl abdrücken würde. Das Gefühl des nahen Todes hatte sich in sein Gehirn eingebrannt. Er riss sich aus seinen Gedanken. »Wann ich aufwachen würde, war nur eine Frage der Zeit.«
    Sie sah ihn mit einem schmerzlichen Blick an. »Ich hätte nicht wegfahren dürfen.«
    »Wenn du in New York geblieben wärst, hättest du nichts, absolut nichts ändern können. Das weißt du.«
    Sie ließ den Brief fallen und strich ihm nochmals sanft oberhalb der Wunde durchs Haar. Er zuckte nicht zurück.
    »Tue ich dir weh?«
    »Nein. Deine Berührungen sind Heilung für mich.« Er hielt ihren Kopf fest und küsste sie liebevoll, während ihre Finger seinen Nacken hinaufstrichen und ihn leise zum Stöhnen brachten. Wie sehr hatte er sich nach dieser Berührung gesehnt … und wie sehr hatte er in diesem einen Augenblick am Hudson River geglaubt, Karen für immer verloren zu haben.
    Es war ein Schmerz, der tief in seinem Inneren war und den er dort für immer begraben wollte.
    Karen pustete ihm ein kleines, verwelktes Blatt aus den Haaren. »Ich wollte in einem solchen Augenblick bei dir sein. Ist das so schwer zu verstehen?
    »Neben einem Bewusstlosen sitzen und Händchen halten meinst du? Das hat Alicia gemacht. Nach zwei Tagen war der ganze Spuk vorbei.«
    Karen legte niedergeschlagen den Kopf an seine Brust. »Ja, du hast Recht. Was rege ich mich eigentlich auf, Alicia war ja bei dir. Du brauchtest mich ja nicht.«
    In Mansfields Augen begann ein irres Feuer zu flackern, als er sie an den Schultern packte und leicht schüttelte.
    »Bist du verrückt geworden? Weswegen bin ich denn hier? Ich brauche dich! Ich habe es ohne dich in New York nicht mehr ausgehalten!«
    Er drückte sie fest an sich und erinnerte sich plötzlich wieder an die Verlustängste in seinen Albträumen während des Komas. Er hatte viele verwirrende Träume gehabt, in denen Karen in dunklen Höhlen herumlief und ihn um Hilfe rief. Auch wenn die Ärzte ihm nicht glauben wollten, dass er in seinem Schockzustand Träume oder Gefühle gehabt hatte, so war es für ihn doch real gewesen.
    Erschreckend real. Er hatte ihre Angst und Verzweiflung gespürt und ihr doch nicht helfen können. Es war unerträglich gewesen. Deswegen war er so schnell wie möglich nach Griechenland geflogen, als es ihm wieder einigermaßen gut ging. Er musste bei ihr sein. Musste sie beschützen. Vor was auch immer.
    Er nahm sie wieder in den Arm und streichelte ihr über den Rücken, während sie erschöpft den Kopf an seine Schulter legte. Nach allem, was sie bisher in Griechenland durchgemacht hatte, tat es gut, seinen starken Körper zu spüren.
    Sie seufzte. »Ich bin so froh, dass du da bist. Und dass es dir gut geht. Trotzdem werde ich Tom den Kopf abreißen, wenn ich wieder in New York bin.«
    Mansfield küsste zärtlich ihr Haar. »Bitte nicht, ich brauche Tom noch. Du musst ihm verzeihen.«
    »Nur, wenn du meinen Egoismus verzeihst, dass ich hier nach Delphi gereist bin.«
    »Immer«, flüsterte er und wiegte sie sanft in seinen Armen. »Immer.«

50
    In der ersten Nacht in Delphi wurde Mansfield von Karens unruhigem Schlaf geweckt. Sie hatte anscheinend einen schlechten Traum, wälzte sich hin und her und redete hektisch in einer Sprache, die er nicht verstand. Er hatte so etwas mit ihr schon öfter in New York erlebt und griff wie immer nach seinem Handy, um Karens Gestammel mit der Diktiergerätfunktion aufzunehmen. Vielleicht würde Prof. Hillairet, den Karen ihm am Nachmittag vorgestellt hatte, etwas damit anfangen können?
    »Kennen Sie diese Sprache, Professor?«, fragte er, als er Hillairet am nächsten Morgen in dessen Hütte aufsuchte und ihm die Tonaufnahme vorspielte.
    Der Professor kratzte sich am Hinterkopf. »Natürlich kenne ich sie. Das ist Altgriechisch. Zugegebenermaßen ein merkwürdiger Dialekt mit vielen seltsamen Worten, die ich nicht kenne, aber es ist trotzdem Altgriechisch.«
    »Und was sagt Karen?«
    »Sie sagt: ›Er hat uns verraten. Wir müssen fliehen.‹«
    »Wissen Sie, um wen es geht? Nennt sie Namen?«
    Der Professor schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Bitte lassen Sie mich es noch einmal hören.«
    Mansfield drückte einige Tasten und stellte

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