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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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Löcher hatten, doch nach hundert Metern hatte Karen eine schmale Teerstraße erreicht, die sie zur Nationalstraße und ins Dorf führte.
    Obwohl Delphi hauptsächlich von Touristen lebte, hatte man es geschafft, große Hotelbauten aus Beton zu vermeiden. Stattdessen fuhr Karen an hübschen weiß gekalkten dreistöckigen Häusern mit kleinen Balkonen und flachen roten Ziegeldächern vorbei, die die Hauptstraße säumten und den Touristen einen schönen Blick über die Ebene des Pleistos-Tales bis hin zum saphirblauen Wasser der Bucht von Itea boten. Neben den Häusern waren schmale Ziergärten angelegt, die meistens nur einem einzigen Baum oder einigen Lorbeerbüschen Platz ließen. Überhaupt schmiegte sich der Ort sanft an die Felswand. Die Häuser schienen die Berge um Frieden und Schutz zu bitten, und die Felsen schienen ihnen diese Bitte wohlwollend zu gewähren.
    Karen blieb an einigen Verkaufsständen stehen und nahm frische Oliven und Gurken mit, und kurz darauf fand sie einen Supermarkt, in dem sie die restlichen Lebensmittel einkaufen konnte. Eine halbe Stunde später verstaute sie gerade eine kleine Kunststofftüte am Fahrradlenker und eine andere mit Kopfsalat und einigen Glaskonserven auf dem Gepäckträger, als eine leise ansteigende Melodie von ihrem Handy ertönte. Ohne aufs Display zu gucken, klemmte sie sich das Handy unters Ohr und versuchte weiter, die sperrige Einkaufstüte sicher auf dem Blech zu befestigen.
    »Karen Alexander.«
    »Hi, hier ist Kay. Na, was machst du gerade? Shoppen in der Fifth Avenue?«
    Es war ihr Bruder, der mit seiner Familie in Berlin wohnte und ab und zu bei ihr anrief. Sie hatten sich seit Weihnachten nicht mehr gesehen.
    »Ich war zwar Shoppen, aber nicht in der Fifth Avenue. Die Dorfstraße von Delphi hat nicht so viele Hochhäuser, weißt du.«
    Kay war für einen kurzen Augenblick sprachlos. »Delphi? Meinst du etwa das Delphi in Griechenland?«
    »Ja, wieso? Gibt es noch mehr?«
    »Als Ort vielleicht nicht, aber ich habe mit Delphi öfter zu tun, wenn es um unsere Computertechnik geht. Delphi ist eines unserer Computerprogramme.«
    Karen seufzte. »Ja, ich weiß. Es hat mich ziemlich genervt, im Internet immer nur irgendwelche Computerseiten angezeigt zu bekommen, obwohl ich nach dem antiken Delphi suchte. Was für ein gemeiner Missbrauch des Namens.«
    »Na ja, wer weiß heute noch etwas über das alte Delphi?«, entgegnete Kay lästernd.
    »Das ist ja das Schlimme. Eure Leute arbeiten täglich mit einem modernen Programm und wundern sich vielleicht nur darüber, warum Delphi nach der neuen Rechtschreibung immer noch mit ph geschrieben wird anstatt mit einem f.«
    Kay versuchte sich seine Kollegen an der Humboldt-Universität in Berlin vorzustellen, wenn man sie nach Delphi befragen würde. »Na, nun mecker mal nicht so rum. Bei den meisten meiner Kollegen kann ich sagen, dass sie eine sehr gute Allgemeinbildung haben und den Namen Delphi schon richtig zuordnen könnten. Für meine Studenten würde ich allerdings keine Hand ins Feuer legen. Die würden wohl doch eher das Computerprogramm nennen, wenn man sie in einer Quiz-Show danach fragen würde.«
    »Siehst du.«
    »Und du willst das jetzt ändern? Sollst du für Julius ein Buch über Delphi schreiben, oder ist Michael bei dir und ihr macht in Griechenland einfach nur Kultur-Urlaub?«
    »Nein, Michael ist in New York geblieben. Sein Vorgesetzter wollte ihm keinen Urlaub geben. Und ja, ich soll ein Buch über Delphi schreiben. Aber ich werde nicht lange hierbleiben. Vielleicht eine Woche. Auf jeden Fall nicht länger als zwei.«
    Karen hörte ein kurzes Lachen durchs Telefon.
    »Zwei Wochen ohne Michael? Na, wenn ihr beide das man durchhaltet. Als du mal für eine Woche in Deutschland warst, ist er doch auch schon nach drei Tagen mit dem Jet nach Hamburg hinterhergeflogen, um bei dir zu sein.«
    »Da lag ja auch ein Wochenende dazwischen, an dem er nicht arbeiten musste«, gab sie zurück.
    »Aber als Cop hat er doch auch mal Wochenend-dienst.«
    »Na klar. Aber an dem Wochenende eben nicht. Weswegen rufst du eigentlich an? Ich will mir nämlich gleich mein Abendessen machen.«
    »Abendessen? Es ist doch gerade erst … Ach verflixt, bei dir ist es ja schon eine Stunde weiter, oder? Tja, Schwesterherz, da hat es dich diesmal aber wirklich erwischt. Nach Osten zu fliegen ist die schnellste Art, um älter zu werden.«
    »Das macht nichts. Dich hole ich ja doch nicht mehr ein.«
    »Vier Jahre – das dürfte dir

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