Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
Vom Netzwerk:
bedeuten?
    Lebte er noch, oder war er tot? Davidson wollte nicht darüber nachdenken. Wenn seinem Partner etwas Schlimmes zugestoßen war, würde er sich das niemals verzeihen können. Verdammt, er hätte ihn vor drei Tagen nicht alleine in Brennars altes Gebiet gehen lassen sollen. Hektisch zog er seine Jacke an und warf seinem Kollegen einen herrischen Blick zu.
    »Al, bist du bald so weit, oder muss ich dir erst noch in den Hintern treten? Komm schon!«
    Allan Portman schoss von einem der hinteren Schreibtische hoch und kam mit großen Schritten auf ihn zu.
    »Bin ja schon da.«
    Zwei weitere Kollegen stellten sich ihnen in den Weg.
    »Wir kommen auf jeden Fall mit, falls es Ärger gibt.«
    Tom nickte nur. Natürlich konnte der Anruf auch eine Falle sein. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass man sie durch eine Geisel in einen Hinterhalt zu locken versuchte. Aber diesmal war es anders. Er spürte es. Der Anrufer war knapp und präzise gewesen. Wie ein Killer, dachte er und biss die Zähne zusammen. Nein, der Mann hatte ihm nur eine Information geben wollen. Mehr nicht. Er hatte ihm nicht einmal die Spur von Genugtuung in seiner Stimme zu erkennen gegeben. Eiskalt, dachte Tom, während er mit seinen Kollegen aus dem Büro eilte.
    Die Fahrt auf die andere Seite des Hudson schien trotz des Blaulichts und der Sirenen eine Ewigkeit zu dauern. Was würde ihn dort erwarten? Tom wollte nicht daran denken, aber immer wieder spielte ihm sein Gehirn mehrere Varianten vor. Er konnte diese Szenen nicht abschalten, es geschah von ganz allein. Sein Hals schnürte sich bei dem Gedanken zu, wie er seinen toten Partner in einem Leichensack verschwinden sehen würde. Verdammt! Zu viele Kollegen hatte er in den letzten fünf Jahren im Dienst verloren, und auf zu viele Beerdigungen hatte er gehen müssen. War es das alles wert?
    Und jetzt Michael …
    Ein verrostetes Schild wies ihnen die Richtung zur alten Holzfabrik, wo sie alle ausstiegen, nach ihm riefen und mit Taschenlampen nach Mansfield suchten.
    Es war Allan Portman, der ihn zuerst entdeckte. »Tom! Hierher!«
    Davidson wirbelte herum und rannte zu seinem Kollegen, der neben Mansfield auf der alten Kaimauer kniete. Er lag regungslos mit dem Kopf nach unten, die gefesselten Arme waren stramm auf den Rücken gebunden. Davidson und Portman drehten ihn vorsichtig um und sahen in ein blutüberströmtes Gesicht. Das Blut rann von einer schmalen Kopfwunde an der linken Schläfe herunter.
    Portman schnitt Mansfield die Fesseln durch, während Davidson seine Hand vorsichtig auf Mansfields linken Rippenbogen legte. Die Brust hob und senkte sich langsam. Davidson fiel ein Stein vom Herzen, doch im nächsten Moment sah er sich wütend um.
    »Wo bleibt der Arzt, verdammt noch mal!« Er beugte sich wieder zu seinem Partner runter. »Mike! Michael! Hörst du mich? Komm schon, Kumpel, mach die Augen auf!«
    Doch Mansfield reagierte nicht.
    Portman schaute auf die Wunde an Mansfields Kopf. »Das sieht nicht nach einem Schuss aus. Anscheinend hat man ihn nur niedergeschlagen. Er wird bald wieder aufwachen, Tom. Keine Sorge.«
    Davidson stand auf und machte einem Arzt und mehreren Sanitätern Platz, die inzwischen am Kai angekommen waren und sofort damit begannen Mansfield zu untersuchen.
    »War er ansprechbar, als Sie ihn fanden?«, fragte der Arzt.
    Portman schüttelte den Kopf. »Nein, er war schon bewusstlos. Wird er es schaffen, Doc?«
    »Wir müssen sehen. Er hat eine Schusswunde am linken Oberschenkel und eine Wunde am Kopf. Sein Zustand ist momentan relativ stabil, aber das kann sich jederzeit ändern.« Er rief nach zwei Sanitätern, die Mansfield vorsichtig auf eine Transportliege legten und ihn zum Rettungswagen brachten.
    Thomas Davidson stand geistesabwesend neben Port-man und den anderen Kollegen. Sie beobachteten, wie sich hinter Mansfield die Krankenwagentüren schlossen, doch Davidson war mit seinen Gedanken ganz woanders. Er musste an einen sehr kurz angebundenen Telefonanrufer mit markanter tiefer Stimme denken, die ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte.
    Der Mann hatte Michael nicht getötet.
    Warum nicht?

11
    Zwei Stunden später saßen Thomas Davidson und seine Schwester Alicia, die er hinzugerufen hatte, im Flur des Krankenhauses, in das Mansfield eingeliefert worden war, und sie wussten nicht, ob sie gehen oder warten sollten. Der Arzt hatte ihnen mitgeteilt, dass Mansfield das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt habe und dass sie nicht wüssten, wann dies der

Weitere Kostenlose Bücher