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Der Zirkel Des Daemons

Titel: Der Zirkel Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Rees Brennan
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Er sah, dass Alan auf der Türschwelle stand. Er konnte seinen Gesichtsausdruck genauso wenig lesen wie die Worte auf dem Zettel. Er fragte sich, wie lange Alan dort schon gestanden und ihm zugeschaut hatte, wie er den Abschiedsbrief zerschnitt.
    Sie blickten einander wortlos an, und in die Stille hinein fragte sich Nick, ob Alan ihm eine weitere Lüge erzählt hatte: ob er zu diesem Mädchen hatte gehen wollen. Ob er immer noch gehen wollte.
    Alan räusperte sich. »Du hast recht. Ich war dumm.«
    »Was du nicht sagst«, erwiderte Nick mit rauer Stimme.
    Alan lehnte sich gegen den Türrahmen. »Ich geriet ziemlich in Panik, als wir die Botschaft erhielten«, erklärte er. »Ich konnte nichts dagegen tun. Ich will euch nicht in Gefahr bringen, und ich weiß nicht, was ich machen soll. Aber wenn sie es nicht über mich schaffen, werden sie etwas anderes versuchen. Weglaufen ist keine Lösung. Ich muss mir einen Plan ausdenken. Ich muss
etwas tun, um diese Sache ein für alle Mal ins Reine zu bringen.«
    Seine Stimme gewann an Sicherheit, während er sprach. Falls er sich einbildete, Black Arthur umstimmen zu können, dann musste er fantasieren, aber Nick empfand es als tröstlich und besänftigend, wenn sein Bruder Pläne schmiedete und über Auswege sprach.
    Alan hob die Tasche auf, die Nick nach oben gebracht hatte, und Nick kam ihm entgegen, um sie ihm abzunehmen.
    »Gib her. Ich räume die Sachen für dich weg.« »Danke«, sagte Alan und lächelte ihn an. Er griff in die Tasche und zog das Buch mit dem versteckten Foto heraus. Dabei wurden seine Finger ganz weich. Ihr Vater hatte immer gesagt, Alan habe die Hände eines Musikers, lange Finger, die jeden Gegenstand sanft und vorsichtig berührten. Und genau so, mit geistesabwesender Zärtlichkeit, strich er jetzt über den Einband. »Das nehme ich. Ich lese es gerade.«
    Er humpelte mit dem Buch in der Hand zu seinem Bett. Nick sagte nichts, sondern legte nur mit geübten Bewegungen die Kleidungsstücke und die Waffen, die Alan eingepackt hatte, an ihren Platz zurück. Er löschte jeden Hinweis auf die Tatsache aus, dass Alan versucht hatte, wegzugehen.
    »Es tut mir wirklich leid«, sagte Alan unvermittelt. Seine Stimme war leise. »Ich werde dich nicht noch einmal im Stich lassen.«
    Nick wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte keine
Ahnung, wovon Alan redete. Das war doch lächerlich. Alan hatte ihn noch nie im Stich gelassen. Nicht ein einziges Mal.
    »Hör einfach nur auf, dich so blöd zu benehmen«, sagte Nick.
    Alan sah ernst aus und ein bisschen traurig, wie er da neben dem Bett stand, mit den Fetzen des Briefs zu seinen Füßen und dem Buch in der Hand, über das er immer noch mit ruhelosen Fingern strich.
    »Okay«, sagte er und lächelte Nick angestrengt zu. »Ich werd’s versuchen.«

4
    Der Jahrmarkt der Kobolde
    H ÖR AUF ZU SCHMOLLEN«, sagte Alan, als er den Wagen parkte.
    Nick schmollte nicht. Er hatte nur einfach keine Ahnung, warum Alan seine nicht unerhebliche Intelligenz wegen eines solchen Unsinns strapazierte. Er hatte enorme Lügengebilde gesponnen, er hatte gebettelt und alten Damen schöne Augen gemacht, nur damit Nick in der Schule aufgenommen wurde. Dabei wollte Nick dort überhaupt nicht hin, denn Schule war Zeitverschwendung. Schule bedeutete für ihn nichts anderes, als dass Dutzende von Lehrern ihn wegen seiner Leseschwäche schief anschauten, und es bedeutete für Alan, dass er Vollzeit arbeiten musste, während er doch aufs College gehen wollte. Wenn Alan einfach Nick hätte arbeiten gehen lassen, hätte er studieren können, und niemand hätte Nick mehr mit irgendwelchen Leseübungen gequält. Alle wären glücklich gewesen.
    Aber Alan war ein dickköpfiger Idiot, der sich weigerte,
Vernunft anzunehmen, und der Nick doch tatsächlich eine neue Schuluniform aufgezwungen hatte.
    Nick sagte nichts. Er versuchte, die Uniform zu zerknittern und zerknüllen, indem er einfach nur still auf dem Beifahrersitz saß und sie mit der reinen Kraft seines Hasses bombardierte.
    »Du schmollst«, sagte Alan weiter. »Aber dazu gibt es keinen Grund. Du musst deine Schulausbildung beenden und außerdem sieht ein Mann in Uniform immer umwerfend aus.«
    Nick schoss ihm einen Blick zu, von dem er glaubte, dass ihn das Wort »umwerfend« verdiente.
    Alan runzelte die Stirn und meinte: »Ich wünschte wirklich, du hättest etwas zum Frühstück gegessen.«
    Nicks Aussicht auf die Schule, ein braunes, zweckmäßiges Gebäude, eckig und fantasielos

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