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Der Zirkel Des Daemons

Titel: Der Zirkel Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Rees Brennan
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war darauf bedacht gewesen, Alans Bein nicht zu verletzen, es nicht einmal zu berühren, doch jetzt war er so wütend, dass er fast wünschte, er hätte es getan.
    »Du gehst nirgendwohin«, knurrte er.
    Alan lag flach auf dem Rücken und schaute in den Himmel. Der volle Mond spiegelte sich in seinen Brillengläsern und ließ den Rahmen silbern aufblitzen. »Wenn sie mich aufspüren können«, sagte er und verstummte dann kurz. »Es ist nicht sicher für euch …«, fuhr er schließlich fort.
    Nick lachte rau. »Wann waren wir jemals in Sicherheit?«
    Und wie sicher wäre Alan da draußen ohne Schutz und allein und mit einer Markierung? Vielleicht würde er durchkommen - Alan konnte gut auf sich aufpassen -, aber Nick wollte dieses Risiko nicht eingehen.
    Nick würde ihn nicht gehen lassen.
    Er atmete schwer und sein Blick verschwamm leicht. Die Konturen der Nacht wurden unscharf und bleich. Er fühlte sich, als hätte er zu hart trainiert. Er war wütend darüber, dass Alan bereit war, ihn einfach so zu verlassen, ohne jeden Grund.
    Alan seufzte und setzte sich auf, zog das gute Bein an die Brust und umschlang es mit dem Arm. Nick kannte diesen Blick aus den Tagen, als seine Mutter ihre Schreianfälle
gehabt hatte, oder wenn ein Lehrer mit ihm über Nicks Leseschwäche sprechen wollte. Alan sah erschöpft und unglücklich aus, und dieser Ausdruck fühlte sich auf seinem Gesicht offensichtlich zu Hause, als ob er an diese Gefühle gewöhnt war und ihnen kaum noch Beachtung schenkte. Er war zu sehr damit beschäftigt, was andere Menschen fühlten.
    »Nick«, sagte er sanft. »Es ist ja nicht so, dass ich gehen will . Es wäre nicht für lange. Nur bis zum nächsten Jahrmarkt der Kobolde, damit ihr beide, Olivia und du, in Sicherheit seid.«
    Ihre Mutter war diejenige, hinter der die Magier her waren, hinter der sie immer her gewesen waren. Ihre Mutter war diejenige, die für all das verantwortlich war, und trotz allem war es ihre Mutter, um die sich Alan die meisten Sorgen machte.
    »Ich werde sie verlassen«, sagte Nick.
    Die Nacht war plötzlich sehr still. Nick blieb in der Hocke und wartete gespannt auf Alans Reaktion, beschwor ihn im Stillen, einzulenken. Alan schloss die Augen und schluckte. Er sah so enttäuscht aus, enttäuscht von Nick, und so in Sorge. Um ihre Mutter.
    »Ich schwöre, dass ich es tun werde«, sagte Nick mit dumpfer Stimme, drohend und unnachgiebig. Er meinte jedes Wort ernst. »Wenn du gehst, werde ich sie verlassen. Ich werde dich finden. Was glaubst du, würde mit ihr passieren, wenn wir beide weg wären?«
    Nick sagte stets die Wahrheit. Er hatte sein ganzes Leben lang mit angesehen, wie Alan den Leuten Lügen
auftischte. Und jedes Mal wenn Nick ein Buch öffnete, tanzten die Worte über die Seiten und entzogen sich seinem Begreifen. Worte waren verräterisch genug, auch ohne dass er sie in Lügen verwandelte.
    Wenn er etwas sagte, dann wusste er, dass Alan ihm glauben würde.
    Alan öffnete die Augen und schaute Nick an. Seine Augen waren leer.
    »Also gut, Nick«, flüsterte er. »Ich werde nicht gehen.«
    »Gut«, presste Nick hervor.
    Er packte die Tasche, die Alan bei sich gehabt hatte, rappelte sich auf und ging zur Haustür, ohne seinem Bruder, der immer noch auf dem Gras saß, noch einen Blick zuzuwerfen. Er war müde, und er wollte nicht mehr darüber nachdenken, dass Alan vorgehabt hatte, ihn zu verlassen.
    Als er die Tasche in Alans Zimmer abstellte, sah er, dass Alan einen Zettel auf seinem Kopfkissen zurückgelassen hatte.
    Nick setzte sich auf Alans Bett und versuchte, ihn zu lesen. Er musste sich beim Lesen konzentrieren, und zunächst wirbelten seine Gedanken wild umher, verwirrten sich und hüpften auf und ab, und auch die handschriftlichen Worte waren verwirrt und wild. Sie sahen aus wie tintige Dornen, die über das weiße Blatt Papier verteilt waren.
    Es gelang ihm, einen ganzen Satz zu erfassen: » Ich gehe an einen Ort, an dem ich willkommen bin. «

    Er dachte wieder an das Mädchen auf dem Foto und schaute sich im Zimmer um. In den Regalreihen gab es nur eine einzige Lücke. Alan hatte ihn verlassen wollen, aber das Buch und das versteckte Bild hätte er mitgenommen.
    Nick starrte den Brief an und verspürte wieder den heftigen Wunsch, jemandem wehzutun. Er zog ein Messer heraus und zerschnitt das Papier, einmal, zweimal, dreimal, bis die Worte verschwunden waren und der Brief nur noch aus kleinen weißen Fetzen bestand.
    Ein leises Geräusch ließ Nick aufblicken.

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