Der Zirkel Des Daemons
die Waffe verstärkte sich, und Nick glaubte schon, er würde abdrücken. Dann senkte er sie, langsam, als ob er die gleiche Befürchtung hatte wie Nick.
»Nick«, sagte er mit unsicherer Stimme. Er klang wie ein kleiner Junge. »Nick, was hast du getan?«
»Ich habe gar nichts getan«, sagte Nick. »Glaubst du vielleicht, die Sache wäre mir so wichtig, dass ich ihr irgendetwas antun würde? Du überschätzt deine Bedeutung maßlos.«
»Hast du ihr wehgetan, Nick?«, fragte Alan.
Nick befahl ein Lächeln auf seine Lippen. »Vielleicht ein bisschen.«
Am anderen Ende des Flurs stand eine Tür einen Spalt offen. Eine Silhouette, ein dunkler Schemen zwischen den dunkleren Schatten, war zu sehen. Es war entweder Jamie oder seine Mutter. Nick konnte es nicht erkennen und es war ihm auch egal. Wer immer es war, er oder sie
atmete schwer, vermutlich aus Angst, und dort, mitten auf der Treppe, hörte er auch Maes rasselnden Atem.
Nick interessierte sich jetzt nicht für Mae. Er hätte auch den dunklen Schemen nicht registriert, wenn sich die geöffnete Tür nicht direkt hinter Alans Kopf befunden hätte.
Er schaute nur Alan an, der nicht sein Bruder war und der mit der Waffe in der schlaffen Hand dastand. Alans Gesicht war immer noch aschfahl und er wich Nicks Blick aus, aber seine schmale Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Er sah nicht verängstigt aus. Er sah aus, als hätte es ihm das Herz zerrissen.
»Hör mir genau zu«, sagte Nick. »Alles wird in Ordnung kommen. Du musst nicht mehr länger in diesem Albtraum leben. Dein Vater hat mich und meine Mutter aufgenommen. Du hast unser beider Leben gerettet. Ich werde diese Schuld begleichen. Ich werde dafür sorgen, dass du diese Markierung loswirst. Dann sind wir quitt und ich will dich nie im Leben wiedersehen.«
12
Beschwörung des Blutes
I N DEN TAGEN, die seiner Entdeckung folgten, erschien Nick alles in einem unnatürlich klaren Licht. Gleichzeitig kam es ihm so vor, als hätte er die Fähigkeit verloren, den Dingen eine Bedeutung beizumessen. Er sah Mae an, die ihm offenbar nicht mehr in die Augen schauen konnte, und dann Alan, der Mühe hatte, mit dem wunden und geschwollenen Mund zu essen, und er empfand rein gar nichts.
Er war nie so wie Alan gewesen, hatte sich nie für Menschen interessiert, war noch nie verliebt gewesen, hatte noch nie einen echten Freund gehabt. Er hatte immer gedacht, er sei einfach vernünftiger als Alan. Jetzt dämmerte ihm, dass es vermutlich diese angeborene Distanziertheit war, die es seinem Vater ermöglichte, den Dämonen Menschenopfer darzubringen. Nick saß auf dem Sofa, einem klobigen braunen Ding, dessen altersschwache Polsterung sich in dicken Fusseln ablöste, und dachte an Opfer.
Die Vorstellung, Fremde sterben zu lassen, rührte ihn nicht besonders. Er wäre dazu in der Lage, dachte er. Es gab nichts, was die Dämonen ihm geben konnten, aber wenn es etwas gegeben hätte, wäre er dazu in der Lage gewesen.
Ihm war vage bewusst, dass ihn dieser Gedanke erschrecken sollte, aber Angst und Mitleid waren nun einmal nicht Teil seiner Natur. Er wollte nicht mit den anderen darüber reden. Er wollte sie nicht einmal anschauen.
Er schlief auf dem schäbigen Sofa, seit er die Wahrheit herausgefunden hatte, falls man das schlafen nennen konnte. Den größten Teil der Nächte verbrachte er draußen im Garten und übte den Schwertkampf, bis er völlig erschöpft war, seine Haut schlüpfrig vor Schweiß und sein Geist herrlich leer. Aber selbst danach konnte er kaum schlafen.
In der dritten Nacht, die er auf dem Sofa verbrachte, hätte er es fast geschafft, in den Schlaf zu gleiten, als er plötzlich Alan schreien hörte. Automatisch rollte sich Nick vom Sofa und war schon die Treppe hinaufgerannt, bevor ihm klar wurde, was er tat.
Die Tür zu Alans Zimmer stand offen. Jemand war schneller gewesen.
Alan saß in seinem Bett. Er sah hager und ausgemergelt aus. Seine Augen waren zu dunkel in einem Gesicht, das zu weiß war. Mae saß in dem Gewirr aus Decken und Laken bei ihm und hielt seine Hände. Nick konnte ihr Gesicht nicht sehen, wohl aber das von Alan. Und er hörte Alans Stimme, die wie ein leiser, warmer Strom
hervorgesprudelt kam, verängstigt und besorgt, aber auch schon ein klein wenig getröstet.
Mae murmelte etwas, aber ihre Worte ertranken in der Flut seiner Stimme. Alan schwieg einen Moment und lächelte sie an. Es war nicht dieses berechnende Lächeln; es war etwas Hilfloses und Scheues. Er senkte kurz
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