Der Zirkus der Abenteur
das Auto zu schwingen. Er hielt sich ja in dem Steinbruch auf, als wir überfallen wurden. Vielleicht sah er, daß man uns fortbrachte, und kam unbemerkt zum Flugplatz mit.«
Lucy seufzte. »Ich wünschte, er wäre bei uns. Wo wird man uns nur hinbringen? In eine düstere alte Burg oder in einen Palast? Besitzt du einen Palast, Gussel?«
»Ja, aber er ist nur klein. Dahin wird man uns nicht bringen, weil die Leute mich dort kennen. Ich habe die Männer belauscht. Sie wollen mich verbergen, bis sie meinen Onkel losgeworden sind. Hoffentlich bringen sie ihn nicht um.«
»Das hoffe ich auch«, sagte Philipp ernst. »Sonst müßtest du König werden, Gussel. Ich denke mir das schrecklich. Ein König muß sich immer tadellos benehmen. Er darf niemals schlechte Laune haben oder unhöflich sein und muß Leute, die er nicht leiden kann, freundlich behandeln.«
»Warum kann dein Vater nicht König werden, Gussel?« fragte Dina.
»Mein Vater ist tot. Meine Mutter lebt noch, aber es ist bei uns nicht üblich, daß Frauen auf den Thron kommen.
Daher werde ich eines Tages König sein, wenn ich groß bin. Ich freue mich darauf.«
»Dann kannst du nach Herzenslust herumkommandieren«, stichelte Dina. »Ich stelle mir einen König eigentlich ganz anders vor. Ach, warum mußtest du nur zu uns kommen! Du hast uns die ganzen Osterferien verdorben.«
»Wie schrecklich das alles ist!« klagte Lucy. »Mir ist kalt, und ich bin so müde!«
Dina legte den Arm um ihre Schulter. »Komm, lehn dich an mich an. Es ist kein Wunder, daß du mitten in der Nacht müde bist. Ich bin auch müde. Wir wollen ein wenig schlafen, dann wird uns die Zeit nicht so lang.«
»Wenn ich nur nicht immerfort an Bill und Tante Allie denken müßte!« Lucy schloß die Augen und schmiegte sich wärmesuchend an Dina. »Immerfort denke ich an — an — und ...«
Philipp lächelte seiner Schwester über Lucys Kopf hinweg zu. Trotz des vielen Denkens war sie sofort eingeschlafen. Arme Lucy! Sie geriet immer mit den anderen Kindern zusammen in Abenteuer, aber es machte ihr gar keinen Spaß.
Auch Jack fiel in einen unruhigen Schlummer. Kiki steckte den Kopf unter einen Flügel und schlief bald so fest, als wäre er zu Hause. Das Flugzeug verfolgte stetig seinen Weg durch die Nacht. Einmal geriet es in strömenden Regen. Dann wurde das Wetter wieder schön, und der Mond erschien am klaren, bestirnten Himmel. Die Kinder merkten nichts davon, daß sie über das silbern glitzernde Meer flogen. Sie sahen nicht, daß große Städte wie Spielzeugdörfer unter ihnen auftauchten und wieder verschwanden. Der eintönige Rhythmus der brausenden Motoren lullte sie ein und begleitete ihre Träume.
Endlich, als bereits der Morgen graute, senkte sich das Flugzeug langsam zur Erde. Philipp wachte auf und weckte die anderen. Gus blickte aus dem Fenster. »Wir sind in Tauri-Hessia«, sagte er ein wenig stolz. »Dies ist meine Heimat.«
Jack allein
Die Sonne ging gerade auf, als das Flugzeug landete.
Der Himmel war wie in Gold getaucht. Das Land rings-umher wirkte öde und verlassen. Nur in der Ferne leuchteten ein paar weiße Häuser auf. Als die Maschinen stoppten, wurde es plötzlich sehr still. Nun erwachte auch Jack und lüftete den Deckel seines Koffers. Durch die Fenster schimmerte Tageslicht. »Wir sind in Tauri-Hessia«, hörte er Gussel sagen. Sie waren also am Ziel angelangt.
Auf dem Flugplatz befanden sich nur ein paar Mechaniker. Die vier Kinder wurden eilig aus dem Flugzeug ge-führt und ohne Aufenthalt in ein großes Auto geschoben, das anscheinend schon auf sie wartete. Jack kletterte aus seinem Koffer und schlich an ein Fenster. Der Mann mit dem Einglas, offenbar der Führer der königsfeindlichen Partei, gab dem Fahrer einen Befehl, bevor er das Auto bestieg. Der Fahrer hielt ihm die Tür auf, grüßte militärisch und sagte wie zur Bestätigung: »Borken.« Dann setzte er sich ans Steuer, und der Wagen fuhr rasch auf ein großes Tor zu.
»Borken«, murmelte Jack. War das nun der Name eines Ortes? Vielleicht hieß es aber auch nur »danke schön« oder etwas ähnliches auf hessianisch. Jack kratzte sich nachdenklich den Kopf. Das Auto war fort. Er befand sich mutterseelenallein in einem fremden Land, dessen Sprache er nicht verstand. Außerdem hatte er nur ein paar englische Münzen in der Tasche. »Was fangen wir nun an, Kiki!« fragte er den Papagei.
»Hol den Doktor!« schlug Kiki vor, stellte den Kamm hoch und machte ein weises Gesicht. »Hol den
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