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Der Zirkus: Ein Jahr im Innersten der Politik (German Edition)

Der Zirkus: Ein Jahr im Innersten der Politik (German Edition)

Titel: Der Zirkus: Ein Jahr im Innersten der Politik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Minkmar
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auch die kurioseste: Was er denn machen könnte, um das gefährliche, potentiell tödliche Problem der Geisterfahrer auf den Autobahnen zu unterbinden?
    Mehr als eine ausführlichere Beschilderung fiel freilich auch dem hochtourigen Kandidaten nicht ein. Ich hatte persönlich gewettet, dass er noch eine Bemerkung zur bayerischen Landtagswahl und zum politischen Geisterfahrer Horst Seehofer bringen würde, aber die verkniff er sich. Im Unterschied zur Kanzlerin, die in der Arena sehr vorsichtig agiert und sich zig Prüfaufträge notiert hatte, konnte Steinbrück zu allen Punkten etwas entwickeln oder versprechen. Da hat man es als Oppositionskandidat zwar leichter, aber insgesamt machte er eine gute Figur: kompetent, witzig und vor allem gefestigt und staatsmännisch.
    Dann wurde es Donnerstagnachmittag. Im Büro las ich mich durch die Übersicht eines sozialen Netzwerks, in dem ich mit vielen anderen Journalisten verbunden bin. Der Chefredakteur des » SZ -Magazins« postete das Foto seines Titelbilds. Es ist nun das bekannteste Foto des Wahlkampfs. Ich hielt es in völliger Verkennung der Tatsachen für eine Montage. Die »Titanic« macht das regelmäßig, ich dachte an eine Komposition mit Photoshop. Auf der Reise hatte ich mit einem Freund, der für ein Magazin ein langes Steinbrückporträt zu schreiben hatte, eine Meinungsverschiedenheit. Meine Position fasste ich zusammen mit: »Er ist eben ein Gentleman.« Das hatte ich nun davon, ich ahnte das triumphierende Grinsen meines Freundes.
    Wenn man sich das gesamte Interview aus der Reihe »Sagen Sie jetzt nichts« ansieht, wird die Geste noch einmal anders zu bewerten sein: Er gibt sich erstaunliche Mühe und reüssiert perfekt darin, eine Pose auf den Punkt zu bringen. Er schauspielert mit großer Genauigkeit, und diese krasse Geste wirkt in Kombination mit seiner Mimik auch wirklich besonders eindrücklich. Man konnte sie gegen die Merkel’sche Raute setzen, sagen, dass es »Rock’n’roll« sei, und sie war sicher dazu angetan, bei Jugendlichen zumindest Aufmerksamkeit zu erregen.
    Wenn man den Wahlkampf freilich aus der Perspektive der Probanden des Instituts Rheingold betrachtete, war die Geste ein Fehler: Sie sahen einen Mann, der sich nicht im Griff hat, der nicht reflektiert, wie so ein Bild missbraucht werden kann, oder dem es egal ist, der bloß noch Punkte für Performanz und persönliche Ausstrahlung machen will. Es verstärkte den Eindruck der Unberechenbarkeit, die ja so vielen Männern seiner Generation zugeschrieben wird, es wirkte wie ein Ego-Trip. Ich musste an den Spruch des Freundes denken: »Wir müssen nun aufpassen, dass er nicht frech wird.« Das Problem mit der Geste war, dass die Leute ihr entnahmen, dass Steinbrück selber den Glauben an seine Kanzlerschaft verloren hatte und sein Image für danach vorbereitete: nicht das eines Opfers, eines Losers, sondern das eines stolzen Kämpfers, der es, der ihn den anderen zeigt.
    Er zeigte sich, indem er die, die ihn mit herabwürdigenden Namen belegten, gestisch beleidigte, als Subjekt seines Schicksals, und darin mochte er vielen gefallen, aber deutlich wurde auch, dass nicht »das Wir« entscheidet, sondern einer ganz allein.
    So hatte er den Wahlkampf geführt, ihn durchgestanden und so wollte er ihn auch gestisch zeichnen. Es war seine Art, den Schadenszauber zu bannen, der aus ihm über Monate hinweg einen Dödel gemacht hatte. Leider sah es auch sehr nach Abschiedsgeste aus.

13 Die schwarze Nacht
    Ich nehme, um am Tag der Bundestagswahl ins Willy-Brandt-Haus zu gelangen, denselben Eingang wie immer, wie ein Jahr zuvor, als es zu der improvisierten Dichterlesung kam. Diesmal stehen da Bauzäune, eigentlich das Übliche in Berlin, ich finde eine Lücke und bin drin. Als ich das Foyer schon fast betreten habe, holt mich eine Dame ein, die mir die ganze Zeit gefolgt sein muss. Sie trägt eine kleine Einkaufstüte in der Hand, der dunkle Pullover und die Stoffhose weisen sie aber als jemanden aus, die für eine Wachfirma arbeitet.
    Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass auf der anderen Seite des Gebäudes ein zentraler Eingang eingerichtet worden war und bin mir keiner Schuld bewusst. Dennoch werde ich – die Dame ist sichtlich stolz, einen Regelverstoß verhindert zu haben – von ihr zu einem Kollegen und von diesem dann weiter gereicht wie ein Pokal. Am Ende der Kette wartet ein kleiner Stand, an dem ich nach ausführlicher Prüfung der Personalien ein grünes Bändchen bekomme. Wenige

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